Die industrielle Revolution begann, als die Dampfkraft für den mechanischen Webstuhl genutzt wurde, denn damit gab es den ersten großen maschinellen Herstellungsprozess. Textilmaschinen haben also eine mehr als zweihundertjährige Tradition. Mit ihren Vorgängern haben sie heute allerdings nur noch wenig gemein. Sie haben sich zu komplexen, oft riesengroßen und hochautomatisierten Maschinen entwickelt, deren Dimensionen einen deutlichen Kontrast bilden zu dem filigranen Material, das sie verarbeiten: federleichte, manchmal nur wenige Mikrometer dicke Fasern, die zunächst zu Garn gesponnen werden, aus dem dann die unterschiedlichsten Textilien entstehen.
Rasantes Wickeln der Garnrollen
Garnherstellung ist ein aufwendiger Prozess. In der Spinnerei werden die aus Rohfasern produzierten Garne zunächst zu großen Rollen (Bild 2) gespult und dann für praktisch jeden Prozessschritt ab- und wieder aufgewickelt, z.B. wenn mehrere Fäden miteinander verwirkt werden. Schlussendlich muss dann das Fertigprodukt noch einmal umgewickelt werden, und zwar zu Rollengrößen, die z.B. Webmaschinen verarbeiten können (Bild 3). Diese Rollen sind zwar deutlich größer als die kleinen Varianten, die im Haushalt Verwendung finden, sehen aber ansonsten ganz ähnlich aus. Oft haben sie die gleiche rautenförmige Oberfläche. Sie entsteht, weil das Garn nach einer präzisen Vorgabe meist schräg auf die Rolle gewickelt wird. Es läuft dabei immer vom einem zum anderen Ende und dann wieder zurück. So wird der Faden gleichmäßig auf der Rolle verteilt und lässt sich später störungsfrei abwickeln.
Beim maschinellen Wickeln ist Schnelligkeit gefragt. Die Führungsöse läuft pro Minute etwa vierhundertmal hin und her, wobei rund 1.500 Meter Garn aufgespult werden. Beim Richtungswechsel darf es keine Verzögerungen geben. Der Motor, der für die rasante Oszillation verantwortlich ist, muss also vor allem in der Lage sein, das stetige Umschalten der Laufrichtung verzögerungsfrei bei unveränderter Geschwindigkeit zu bewältigen.
Scheibenmagnetmotor für schnelle Richtungswechsel
Als ideale Lösung für diese Aufgabe haben sich Scheibenmagnetmotoren wie der DM52 aus dem Programm des Antriebsspezialisten FAULHABER bewährt. Diese Motoren wurden für Anwendungen entwickelt, die sehr hohe Beschleunigungen oder schnelle Richtungswechsel erfordern. Mit ihrer geringen Länge und ihrem niedrigen Gewicht sind sie gut in die Anwendungen zu integrieren. Aufgrund ihrer hohen Schrittzahl und der Möglichkeit zum Mikroschrittbetrieb sind sie perfekt für solche hochpräzisen Positionierungsanwendungen geeignet und haben bereits in zahlreichen Einsatzfällen ihre Zuverlässigkeit und Langlebigkeit bewiesen.
Der Rotor dieses Antriebs besteht aus einer dünnen Seltene-Erden-Magnetscheibe, die mit 25 Pol-Paaren magnetisiert wurde. Sie läuft zwischen zwei Statoren mit den passend angeordneten Wicklungen. Da die Scheibe extrem leicht ist, liegt das Rotorträgheitsmoment sehr nah am technisch erreichbaren Minimum. Dies erlaubt dem Motor, bei voller Geschwindigkeit in rund fünf Millisekunden die Richtung zu wechseln und damit das blitzartige Hin und Her bei der Garnführung beim Rollenwickeln zu ermöglichen.
Konstante Garnspannung bei Strickmaschinen
Um die Garnzuführung geht es auch beim maschinellen Stricken. Hier ist eine möglichst konstante Spannung des Garns wichtig. Diese Aufgabe, für die beim Stricken von Hand der linke kleine Finger zuständig ist, übernimmt bei Strickmaschinen der sogenannte Fournisseur (frz. Lieferant, Zulieferer). Die Fournisseure sind kurz vor den Stricksystemen angebracht. Auf ihrer Walze ist eine bestimmte Menge Garn aufgewickelt, das als Zwischenspeicher dient. Die Mechanik reagiert auf Schwankungen der Garnspannung und gleicht diese durch motorisierte Bewegungen aus. Hier geht es nicht so schnell zu wie bei der Garnwicklung, der Antrieb am Fournisseur muss aber dennoch sehr schnell auf die Schwankungen reagieren und seine Kraft muss sich gut dosieren lassen. Des Weiteren ist der verfügbare Einbauplatz knapp und natürlich dürfen die Motoren nicht die Wartungszyklen bestimmen, Langlebigkeit hat daher auch hier höchste Priorität.
Je nach Maschinenauslegung werden für diese Aufgabe verschiedene Motoren von FAULHABER eingesetzt, z.B. DC-Kleinstmotoren mit Grafitkommutierung, die mit Durchmessern von lediglich 17, 22 oder 23 mm besonders leicht und kompakt sind. Durch die Konstruktion als Glockenankermotor mit der patentierten, freitragenden Rotorspule mit Schrägwicklung, die um einen ruhenden Magneten rotiert, kann fast der gesamte Motordurchmesser für die elektrische Spulenwicklung genutzt werden. Dadurch erreichen die Motoren im Verhältnis zu ihrer Größe und ihrem Gewicht höhere Leistungen und Drehmomente als konventionelle Ausführungen. Die kleinen Motoren liefern je nach Ausführung Drehmomente bis etwa 20 mNm.
Der Begriff „Grafitkommutierung“ bezieht sich auf das verwendete Bürstenmaterial in Kombination mit einem Kommutator aus einer Kupferlegierung. Dieses Kommutierungssystem ist sehr robust und eignet sich besonders für dynamische Hochleistungsapplikationen mit schnellem Start-/Stoppbetrieb, wie es die Fournisseure der Strickmaschinen fordern.
Stricken als Fertigungstechnologie
Mit modernen Strickmaschinen werden aber keineswegs nur Textilien für Bekleidung, sondern auch technische Gewebe z.B. Geotextilien hergestellt. Mit 3D-Stricktechnik lassen sich beispielsweise sogar feine Metalldrähte und Keramikfasern zu technischen Bauteilen verarbeiteten. Hier kommt es erst recht auf die korrekte Fadenzugspannung an, da sie Abmessung und Qualität der Produkte maßgeblich mitbestimmt. Diese Fertigungstechnologie kann auch für die schnelle Herstellung von Prototypen genutzt werden. Anders als bei den meisten anderen Prototyping-Verfahren entsteht hierbei kein Verschnitt oder Materialabfall.
In den vielfältigen Abläufen der Textilindustrie gibt es damit zahlreiche weitere Anwendungen, bei denen hochwertige Kleinstmotoren im Einsatz sind. Dazu gehören zum Beispiel auch Maschinen, mit denen Knöpfe angenäht werden sowie Materialtestgeräte, die die Qualität von Garnen überprüfen. Das umfassende Portfolio von FAULHABER bietet für alle diese Anwendungen eine passende Antriebslösung. Erfordern Anwendungen z.B. ein hohes Drehmoment bei sehr kurzer Baulänge, sind oft die flachen, bürstenlosen DC-Motoren der BXT-Familie das Mittel der Wahl. Dank innovativer Wickeltechnik und optimierter Auslegung sind die Motoren nur 14, 16 und 21 mm lang, liefern aber Drehmomente bis 134 mNm bei einem Durchmesser von 22 mm, 32 mm bzw. 42 mm. Sie sind für eine Dauerausgangsleistung von bis zu 100 W ausgelegt und übertreffen damit die Maßstäbe dieser Antriebsklasse deutlich, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis von Drehmoment zu Länge, Volumen und Gewicht, was vielen Anwendungen mit beengten Platzverhältnissen zugutekommt.