Die Ursachen elektrostatischer Entladungen sind vielfältig und zum Teil überraschend. Beispielsweise können sich an Klebebandrollen oder Klebebandabrollern Spannungen von bis zu einigen Tausend Volt aufbauen. Das liegt vor allem an den isolierenden Eigenschaften, die solche Gegenstände meist aufweisen und durch die sich elektrische Potenziale aufbauen können. Selbst Plastikbeutel, die elektronische Komponenten enthalten, können eine statische Aufladung bewirken, die zwischen einigen Hundert Volt und über 1000 Volt liegen kann. Wenn sich diese Spannung an Halbleiterbauelementen entlädt, kann dies zu einer Reihe von Problemen führen. Ist der induzierte Strom stark genug, kann es beispielsweise zu einem Defekt der Halbleitersperrschicht kommen. Bei den neuen Hochleistungsbauelementen mit Strukturgrößen von 10 nm und 7 nm ist das Risiko sogar noch größer. Diese weisen Gate-Oxide auf, die nur wenige Nanometer dick sind und mit niedrigen Spannungen operieren – damit sind sie noch anfälliger für Schäden durch hohe ESD-Spannungsdurchschläge.
Auch wenn es nicht sofort zu einem Totalausfall kommt, kann die Sperrschicht geschwächt werden, da der Stromimpuls die Oxidschicht beschädigt. Das verkürzt die Lebensdauer des Bauelements und kann zu einem Ausfall im laufenden Betrieb führen oder wichtige Parameter wie Schaltgeschwindigkeit oder Stromverbrauch ändern. Durch eine hohe Entladung kann auch die Isolierung durchbrennen und es können Kurzschlüsse in der Metallisierung unterschiedlichster Bauteile auftreten, nicht nur bei Halbleitern. Dadurch verringert sich der reale MTBF-Wert (Mittlere Betriebsdauer zwischen Ausfällen) des Moduls oder Subsystems im Vergleich zum berechneten MTBF-Wert und auch hier kann es später zu verfrühten Ausfällen im laufenden Betrieb kommen.
Auch elektrostatische Entladungen von Maschinen können ESD-Schäden verursachen. Dazu kommt es, wenn ein nicht geerdetes Teil einer Maschine oder eines Werkzeugs während der Montage mit einem ESD-empfindlichen Teil in Berührung kommt - ein Risiko, das manchmal übersehen wird. Eine dritte Ursache, die berücksichtigt werden sollte, sind die elektrostatischen Entladungen geladener Geräte. Dazu kommt es, wenn ein Bauteil oder Gerät selbst eine elektrische Ladung aufbaut und dann mit einer leitfähigen Oberfläche in Berührung kommt. Die schnelle Entladung, zu der es dabei kommt, kann ein ESD-empfindliches Teil beschädigen.
Wichtige Normen
Der erste Schritt für einen effektiven ESD-Schutz besteht darin, sicherzustellen, dass alle elektronischen Komponenten den neuesten internationalen Normen entsprechen. Die Anforderungen an den ESD-Schutz sind durch die IEC 61340-5-1 festgelegt, und Methoden zur ESD-Kontrolle werden im Benutzerhandbuch IEC 61340-5-2 spezifiziert. IEC 61000-4-2 beschreibt Prüfverfahren zur Simulation elektrostatischer Entladungen vom menschlichen Körper in unterschiedlichen Stärken, sowohl durch Kontakt- als auch durch Luftentladung. Für Chiphersteller legt die Norm IEC 60749-28:2017(E) das Verfahren für die Prüfung, Bewertung und Klassifizierung von Chips gemäß ihrer Störanfälligkeit fest, wenn diese einer elektrostatischen Entladung im feldinduzierten Charged Device Model (CDM) ausgesetzt werden. Alle Halbleitergeräte mit Gehäuse, Dünnschichtschaltkreise, oberflächenakustische Wellengeräte (SAW), optoelektronische Geräte, hybride integrierte Schaltkreise (HICs) sowie Multichip-Module (MCMs), die eines dieser Geräte enthalten, müssen gemäß dieser Norm bewertet und in einem Gehäuse getestet werden, das der endgültigen Anwendung entspricht. So können sich Montagebetriebe sicher sein, dass die Teile absolut zuverlässig sind, was sie allerdings nicht von der Verantwortung entbindet, für die erforderliche Sorgfalt im Umgang mit den Teilen zu sorgen.
Einige effektive Lösungen für den ESD-Schutz
Katastrophale Ausfälle durch Kurzschlüsse oder einen Defekt der Oxid-Sperrschicht, die durch ESD an elektronischen Bauelementen verursacht wurden, werden in der Regel rechtzeitig bei abschließenden Tests festgestellt. Oft sind es jedoch latente Defekte, die größere Auswirkungen auf die Gesamtzuverlässigkeit eines Systems haben. Daher sollten in der gesamten Lieferkette verschiedene Strategien umgesetzt werden, um das Risiko elektrostatischer Entladungen zu minimieren. Die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung elektrostatischer Entladungen ist der Einsatz einer entsprechenden Arbeitsstation. Erdungsstreifen an Schuhen, Werkbänken und Geräten können dazu beitragen, das Risiko eines ESD-Vorfalls zu verringern, genauso wie Schulungen, in denen die Mitarbeiter über die häufigsten ESD-Ursachen informiert werden. Zusätzlich ist jedoch eine einheitliche Masseebene über alle Werksbereiche hinweg erforderlich, um Probleme zu vermeiden. Die wichtigste Lösung zur Vermeidung elektrostatischer Entladungen durch Maschinen besteht darin, Maschinenteile und Werkzeuge zu erden. Dies kann allerdings bedeuten, dass mehrere Werkzeuge in einer Montagelinie ersetzt oder Werkzeuge mit Erdungsleitungen versehen werden müssen.
Gegen ESD durch elektrostatisch aufgeladene Geräte können dagegen Ionisatoren eingesetzt werden, die in der Umgebungsluft Ströme positiver und negativer Ionen erzeugen und damit den Aufbau einer Ladung auf den Komponenten selbst verhindern. Eine Reduzierung der Teilebewegungen durch das Werk, die Verwendung von zuverlässig abgeschirmten Behältern und eine einheitliche Masseebene können ebenfalls dazu beitragen, Beeinträchtigungen durch diesen ESD-Typ zu verringern. Neben der Erdung der Arbeitsstation ist die Lagerung ein wichtiges Thema. Antistatische Beutel können im Laufe der Zeit ihre ESD-Schutzfunktion verlieren, und Behälter für Teile und Werkzeuge müssen ebenfalls gegen elektrostatische Aufladung geschützt werden. Ionisatoren tragen dazu bei, dass sich an Werkzeugen und Arbeitsstationen keine Ladung aufbaut. Es ist jedoch wichtig, auf die Emitter zu achten und sicherzustellen, dass ein gleichmäßiger Anteil positiver und negativer Ionen erzeugt wird. Ionisatoren können zudem Informationen zu statischen Bedingungen und zum Zustand der Geräte liefern. Die Verknüpfung der Diagnose- und Leistungsdaten eines Ionisators mit den Werksmanagementsystemen – als Teil des industriellen Internets der Dinge (IIoT) – kann wertvolle Informationen liefern, die die Zuverlässigkeit erhöhen und für Sicherheitsbewertungen und das Gesamtrisikomanagement genutzt werden können.
Geräteentwickler berücksichtigen ESD auch auf Systemebene durch die Integration entsprechender Schutzeinrichtungen, insbesondere bei Geräten mit Hochgeschwindigkeitsschnittstellen. Der ESD-Schutz muss jedoch nicht nur für die dynamischen Bedingungen angemessen ausgelegt sein, die elektrischen Parameter dürfen auch keine unerwünschten Signalintegritätsstörungen an einer Datenschnittstelle verursachen. Effektiver ESD-Schutz – durch Integration von Dioden in das System – bietet in der Regel eine extrem schnelle Ansprechzeit, niedrige Betriebs- und Klemmspannungen, einen niedrigen Leckstrom und niedrige Kapazität.
Schließlich ist es wichtig zu bedenken, dass die oben genannten Strategien zwar zum Schutz vor ESD-Problemen im laufenden Betrieb beitragen, die Komponenten aber dennoch in den verschiedenen Phasen des Montageprozesses anfällig sein können. Daher sollte ESD-Schutz für Maschinenbauer und Systemintegratoren während des gesamten Prozesses eine Priorität sein.