IEN D-A-CH: Wie kommt ein promovierter Chemiker dazu, sich auf Automatisierung zu spezialisieren?
Lülff: Meine erste Firma habe ich als Jung-Unternehmer direkt nach meiner Promotion gestartet. Sie hieß Inventus Biotec und war ein Start-up mit Fokus auf die Entwicklung von speziellen Biosensoren für die medizinische Diagnostik z.B. bei Diabetes und andere Volkskrankheiten. 1996 habe ich dann zufällig den Gründer meiner jetzigen Firma Welotec kennengelernt, damals war das noch das Ing.-Büro F. W. Wenglorz GmbH. Er suchte einen Nachfolger. Ich fand die Welt der Automatisierung spannend. Herr Wenglorz und ich haben uns gut verstanden. Ich übernahm die Firma. So einfach. Seitdem begeistern mich mein Unternehmen und die Märkte, in denen wir uns bewegen.
IEN D-A-CH: Kabellose Kommunikation wird heute im Zusammenhang mit IIoT immer wichtiger. Sie beschäftigten sich schon seit der Jahrtausendwende mit diesem Thema?
Lülff: Ja, genau. Wenn Sie so wollen, sind wir tatsächlich Pioniere in diesem Bereich. Seit 2000 beschäftigen wir uns damit „Dinge“ zu vernetzten. Angefangen haben wir mit Funkfernsteuerungen und (privaten) Datenfunklösungen. Bereits im Jahr 2004 kamen Mobilfunklösungen dazu, erst GPRS, dann UMTS und schließlich ging es weiter mit LTE. Durch kundengetriebene Entwicklungen konnten wir früh in diesem Markt Fuß fassen. Heute bearbeiten wir den Markt pro-aktiv und bieten für unsere Kunden „smarte“ Lösungen. Smart bedeutet in diesem Zusammenhang unter anderem, dass intelligente Dinge miteinander kommunizieren.
IEN D-A-CH: Apropos „smart“. Ihr Claim lautet „A byte smarter.“ Was steckt dahinter?
Lülff: Ich halte Firma und Mitarbeiter für smart. Im Detail bedeutet das, dass wir interne und externe Prozesse smart - also spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und termingerecht - gestalten. Und da wir uns mit unseren Lösungen in der digitalen Zukunft der Industrie bewegen, wo Sensoren, Aktoren, Maschinen und die Endgeräte hin bis zum Smartphone zusammenwachsen, passt der Claim einfach perfekt zu uns.
Gute Produkte gibt es auf dem Markt viele. Aber das reicht aus unserer Sicht nicht. Wir sehen das Gesamtsystem. Unsere Lösungen kombinieren viele Vorteile: Sie sind einfach zu installieren, extrem ausfallsicher, robust, schnell und äußerst wartungsarm. Es geht darum, die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen und mit maßgeschneiderten Lösungen dabei zu helfen, bisher ungenutztes Potenzial zu erschließen.
IEN D-A-CH: Das heißt, Sie liefern das viel zitierte Rundum-sorglos-Paket?
Lülff: Wenn Sie so wollen. Am deutlichsten wird es vielleicht an einem Beispiel. Energieversorgungsunternehmen (EVU) stehen in den kommenden Jahren unter anderem vor der immensen Herausforderung, eine große Anzahl an Haushalten mit Smart Metern auszurüsten. Das bedeutet unter anderem auch, dass kleinere Ortsnetzstation, die bislang über keine Kommunikationsverbindung verfügen, „kommunikativ“ gemacht werden müssen. Im Zusammenarbeit mit einem großen EVU haben wir dazu eine entsprechende Lösung entwickelt.
Die passende Hardware – also einen LTE-Router – in unserem Portfolio zu finden war verhältnismäßig einfach. Dann ging es bei dem Projekt aber um deutlich mehr. Ein Rollout ist auf organisatorischer Seite sehr aufwändig, muss gut vorbereitet sein und dann muss man ja auch weiterdenken: Wie wird im laufenden Betrieb die Funktion der Kommunikation sichergestellt. Dazu haben wir neben unserer Hardware auch eine individuelle Software-Lösung entwickelt. Mit der Deployment-Service DS800 Software sorgen wir dafür, dass der Elektriker in den Ortsnetzstationen die LTE-Router lediglich physikalisch anschließend muss. Mit Hilfe eines elektronischen Lieferscheins und der Einbindung der DS800 Software in die IT-Landschaft des Kunden konfiguriert sich der Router dann selbst. Anschließen, Konfiguration und Überwachen der Router ist also voll in vorhandene Business Prozesse beim Anwender integriert, denn im laufenden Betrieb überwacht die Software auch den aktuellen Zustand der Router. Es ging also um eine Gesamtlösung mit mehreren tausend Routern, nicht um ein einzelnes Produkt.
IEN D-A-CH: Seit einiger Zeit konzentrieren Sie sich auf die Kernbranchen Smart Energy, Smart City, Smart Farming und Smart Industry. Wie kam es dazu?
Lülff: Wir wollen für unsere Kunden herausragende Lösungen schaffen, aber man kann nicht überall hervorragend sein. Ein Fokus ist daher essentiell. Deshalb haben wir uns mit unseren zukunftsweisenden Kommunikationslösungen auf diese vier Bereiche spezialisiert. Im Energiebereich arbeiten wir mit den großen deutschen und europäischen Energieversorgern und Netzbetreibern und großen Systemintegratoren zusammen. Im regen Austausch und mit unserer Kompetenz für eine sichere und zuverlässige Datenübertragung können wir so die weltweite Energiewende mitgestalten. Ein wesentlicher Baustein für den Erfolg sind hier unsere industriellen Mobilfunkrouter der TK-Serie, mit denen wir für Smart Grid und Smart Metering spezielle Lösungen realisiert haben.
Auch bei Smart Industry und Smart City (Passagierinformationen, Ticketing-Systeme im öffentlichen Nahverkehr, Elektromobilität, Digital-Signage, cashless payment u.v.m.) sind die Erfolge mehr als ermutigend. Ähnliches erleben wir im Smart Farming (ökologisch orientierte Landwirtschaft u.v.m.). In diesen Branchen haben wir durch unsere jahrelange Projekterfahrung große Stärken entwickelt und stoßen daher auf eine enorme Kundenakzeptanz, auch deshalb treiben wir die Vertikalisierung voran. Mit unseren bald 60 Mitarbeitern möchten wir in diesen Nischen absolut führend sein. Dass es sich zufällig um die Zukunftsmärkte rund um IIoT, m2m, Industry 4.0 handelt, ist natürlich wunderbar. Wir dürfen, können - und werden - mitwirken an der digitalen Zukunft der Industrie.
IEN D-A-CH: Wenn wir von Innovationen sprechen: Sie selbst sind jetzt seit über 20 Jahre in der Automatisierungsbranche aktiv. Welche Trends konnten sie in dieser Zeit beobachten?
Lülff: Es ist schon interessant, wie schnell Begriffe wie m2m, IoT, IIoT, Industrie 4.0 und jetzt 5G zu Schlagworten werden, die von jedem genutzt werden. Dieses Trendsetzen war über all die 20 Jahre gegeben. Es gab viele Trends in der Branche, aber die wenigsten waren letztlich so bahnbrechend, dass sie Meilensteine setzten. Das heißt für uns: Tatsächlich kann und sollte man nicht jedem davon nachlaufen. Dazu kommt, dass die Zyklen der Veränderung immer kürzer werden. Das, was vor drei Jahren noch Trend war, ist heute schon ein alter Hut verglichen mit IoT, zum Beispiel die m2m-Kommunikation. Unabhängig von Trends ist doch für jede Geschäftsidee wichtig, dass passende Märkte, Kunden und Lösungen aufeinandertreffen. In dieser Hinsicht ist die digitale Kommunikation auf jeden Fall eine Zukunftstechnologie gerade im Zusammenhang mit dem IIoT. Oder ich spreche lieber vom IIoE dem Industrial Internet of Everything, also die Vernetzung von Menschen, Prozessen, Daten und Gegenständen.
IEN D-A-CH: Welche Auswirkungen haben diese Trends auf Ihre Produktpalette? Wo gibt es Neuerungen?
Lülff: Wie gesagt, der Innovationsprozess schreitet kontinuierlich voran. Daher passen wir unsere Lösungen ständig auf die Bedürfnisse im Markt an. Nur so bleiben wir interessant. Momentan transformieren wir unsere existierenden Lösungen im Gateway- und Computer-Bereich von einer Sensor-to-Cloud- hin zu einer EDGE-Lösung. Hierfür wurden und werden die bestehenden Lösungen angepasst, um auch im EDGE Computing Bereich eingesetzt zu werden. Damit sind die Lösungen jetzt noch ein bisschen smarter.