„Intensive Beratung war und ist dringend nötig“

Interview zur Energieeffizienz mit Frank Wiedemann von Nord Drivesystems

  • Frank Wiedemann (1. von rechts), Geschäftsführer bei Nord Electronic Drivesystems, erläutert, vor welchen Herausforderungen Maschinenbauer, Anwender sowie Anbieter von Antriebstechnik im Hinblick auf Energieeffizienz heute stehen.
    Frank Wiedemann (1. von rechts), Geschäftsführer bei Nord Electronic Drivesystems, erläutert, vor welchen Herausforderungen Maschinenbauer, Anwender sowie Anbieter von Antriebstechnik im Hinblick auf Energieeffizienz heute stehen.

Für bestimmte Anwendungen sind energieeffiziente Motoren ab Mitte Juni 2011 gesetzlich vorgeschrieben. Der Antriebsspezialist Nord hält eine Reihe geeigneter Lösungen dafür bereit. Im Rahmen der Hannover Messe unterhielt sich TR-Redakteur Jürgen Wirtz mit Frank Wiedemann, Geschäftsführer von Nord Electronic Drivesystems. TR: Was bedeutet die EU-Direktive 2005/32/EC für die Hersteller von elektrischer Antriebstechnik?  
Wiedemann: Die Ökodesign-Direktive 2009/125/EC (Ablösung der 2005/32/EC) und ihre Durchführungsverordnung 2009/640/EC schreibt für die Länder der Europäischen Union vor, dass alle Motoren im Leistungsbereich von 0,75 kW bis 375 kW ab dem 16. Juni mindestens die Effizienzklasse IE2 erfüllen müssen – sofern sie im Dauerbetrieb (S1) laufen. Nicht betroffen von der IE2-Pflicht sind unter anderem Anwendungen am Frequenzumrichter mit schwankenden Belastungen und Drehzahlen sowie Anwendungen mit explosionsgeschützten Antrieben. Nicht unter die neuen Vorschriften fallen außerdem Bremsmotoren, Tauchmotoren und Motoren, die bei Umgebungstemperaturen über +40 °C oder unter -15 °C oder in über 1.000 m Höhe betrieben werden. Auch bei Aussetz- und Kurzzeitbetrieb sind keine IE2-Motoren erforderlich. So kommen also eine ganze Menge Ausnahmefälle zusammen, in denen bisherige Motorarten weiter eingesetzt werden dürfen. Für die Hersteller elektrischer Antriebstechnik bedeutet das, dass ihre Kunden zwar mehr und mehr IE2-Systeme, jedoch nach wie vor auch Motoren benötigen werden, die nicht der Effizienzklasse IE2 entsprechen. Mit erheblichem Aufwand in Entwicklung und Fertigung wurde deshalb die bestehende Modellauswahl stark verbreitert, um dem veränderten Bedarf gerecht zu werden. Um überhaupt zu klären, wer in Zukunft was benötigt, waren die Antriebshersteller außerdem gefordert, die neue Situation und mögliche Optionen intensiv mit ihren Kunden zu diskutieren.   TR: Sind sich Maschinenbauer und Endanwender der Tatsache überhaupt bewusst, dass hier ab Mitte Juni 2011 eine solche Direktive in Kraft tritt?  
Wiedemann: Wie eben gesagt – die intensive Beratung, die Hersteller wie wir bei anstehenden Entscheidungen bezüglich der Direktive geleistet haben und noch immer leisten, war und ist in den meisten Fällen dringend nötig. Zahlreiche Maschinenbauer hatten sich bis vor kurzem noch mit ihren neuen Pflichten kaum auseinandergesetzt. Je näher der Termin nun rückte, desto besser waren unsere Gesprächspartner zwar vorinformiert. Aber der praktische Umgang mit den Ausnahmetatbeständen blieb ein Thema, dessen Komplexität immer noch unterschätzt wurde. Unsere Projektierungs-Spezialisten konzentrieren sich nun schon über Monate hauptsächlich im Einsatz vor Ort darauf, gemeinsam mit unseren Kunden bestmögliche Lösungen für die einzelnen Anwendungsfälle zu definieren.   TR: Welche technischen Lösungen bietet NORD Drivesystems in dieser Hinsicht? 
Wiedemann: Motoren mit besonders guter Energieeffizienz unterscheiden sich in einigen Punkten technisch von ihren Vorgängern. In ihnen stecken mehr Aktivmaterial und hochwertigere Bleche mit geringeren Verlusten, und die Kupferfüllfaktoren in den Statornuten sind erhöht. Das macht IE2-Ausführungen schwerer im Vergleich zu bisherigen EFF2-Modellen. In relativ wenigen Fällen weichen auch einige Maße von den bisherigen ab. Von Vorteil für Maschinenbauer und Anwender ist, dass sich durch die konstruktiven Veränderungen größere Leistungsreserven ergeben. Für viele Anwendungsfälle kommen daher Motoren mit kleinerer Nennleistung als zuvor in Frage, die zeitweise auftretende Spitzenlasten gut bewältigen können. Dies führt häufig zu einer besseren Auslastung und damit höherer Effizienz der Motoren im Normalbetrieb. Das lässt erkennen, dass man vor allem wissen muss, was man mit den neuen Systemen erreichen kann. Qualifiziertes Know-how zu liefern ist deshalb für Antriebshersteller unverzichtbar. Natürlich haben unsere Kunden das Ziel, perfekte Lösungen für ihre eigenen Kunden zu entwickeln – um das zu erreichen, müssen sie alle Optionen kennen.   TR: Die Tatsache, dass die Einführung energiesparender Elektromotoren einer gesetzlichen Regelung bedarf, legt nahe, dass die Einsicht in deren Notwendigkeit bei Herstellern, Maschinenbauern und Anwendern nicht sehr ausgeprägt ist. Wie sind Ihre Erfahrungen?  
Wiedemann: Es wissen heute schon die meisten, dass auf die Antriebstechnik der Löwenanteil des Energiebedarfs einer Maschine oder Anlage entfällt. Und an ökologischem Bewusstsein mangelt es auch nicht. Viele Anwender, Maschinenbauer und Hersteller sind schließlich Eltern, die ihren Kindern einen einigermaßen intakten Planeten hinterlassen möchten und die es im Prinzip gut finden, dass dafür Ziele abgesteckt werden. Auf jeden Fall hat dieser Gesetzesanstoß dazu geführt, dass über Energieeffizienz bei Antrieben grundsätzlich mehr nachgedacht wird. Das hat auch die besonders große Resonanz gezeigt, die das Thema auf der diesjährigen Hannover Messe gefunden hat. Viele Ansätze beziehen sich auch nicht ausschließlich auf den Motor, sondern denken über die Richtlinie noch hinaus, indem sie das gesamte System aus Motor, Getriebe und Antriebselektronik in den Blick nehmen – in diesem Paket sind die Einsparungspotenziale teilweise noch deutlich größer.   TR: Inwieweit verteuern sich Motoren, wenn sie energiesparend ausgelegt sind, und ab wann amortisiert sich eine solche Investition für den Endanwender?  
Wiedemann: Etwas teurer in der Anschaffung sind energiesparende Motoren praktisch immer – allein wegen höherer Materialkosten ist das unvermeidlich. Der Unterschied fällt je nach Baugröße mal merklich und mal weniger deutlich aus. Der Preisanstieg einer Antriebslösung insgesamt ist aber prozentual wesentlich geringer als der des Motors allein, denn schließlich haben auch Getriebe und Antriebselektronik einen wesentlichen Anteil am Gesamtpreis eines Systems. Wann sich Mehrkosten amortisieren, ist natürlich sehr stark von der Nutzung des jeweiligen Antriebs abhängig. Bei einer ständig laufenden Maschine ist durch gesparte Energiekosten oft schon nach wenigen Monaten der Break-even-Punkt erreicht. Läuft eine Maschine stattdessen nur wenige Stunden am Tag und steht ansonsten still, kann das auch länger dauern.   TR: Was bieten Sie Ihren Kunden und den Endanwendern über die reine Hardware hinaus, um sich über das Thema zu informieren?  
Wiedemann: Wie nun schon mehrfach betont, steht die persönliche Betreuung ohne Wenn und Aber im Vordergrund. Natürlich ist auch Informationsmaterial wichtig. Sie können zum Beispiel unserem IE2-Motorenkatalog detaillierte Angaben dazu entnehmen, wie sich je nach Zielmarkt die Energiespar-Anforderungen unterscheiden – oder ob es von Fall zu Fall sogar nur reine Empfehlungen und noch keinerlei rechtlich verbindliche Vorschriften für hohe Effizienzklassen gibt. So ist es zum Beispiel bisher in Südafrika. Neben unseren individuellen Beratungsangeboten stellen wir außerdem unter www.nord.com/IE2 ein Informationsportal zum Thema zur Verfügung. Auf der Website finden Sie unter anderem einen schematischen Entscheidungsbaum und zudem unseren Effizienzrechner. Wenn Sie wissen möchten, wann genau ein konkreter Antrieb in einer konkreten Anwendung beim Umstieg auf IE2 seine höheren Anschaffungskosten eingespart hat, kann der Rechner dies gleich online für Sie kalkulieren.   TR: Die erwähnte EU-Direktive ist eine Sache. Bisher existieren aber auch international unterschiedliche Effizienzstandards für Elektromotoren. Wird hier von Normungsseite gegengesteuert?  
Wiedemann: Natürlich gibt es immer wieder mal Bemühungen, eine bessere Vereinheitlichung zu erreichen. Grundsätzlich war ja der Sinn der IE-Einstufungen, einen weltweiten Standard zu etablieren. Und eine gemeinsame Nomenklatur nach diesem System ist durchaus schon eine Errungenschaft. Aber es wird wohl auf absehbare Zeit bei den Unterschieden bleiben, die heute bei konkreten Bestimmungen in unterschiedlichen Regionen bestehen. Obwohl alle das Ziel verfolgen, Energie zu sparen, gibt es rund um den Globus ganz verschiedene Verhältnisse. Konkret ist in Nordamerika zum Beispiel jetzt bereits die Effizienzklasse „Premium Efficiency“, das heißt IE3, gefordert. Das gilt für Motoren von 1 bis 200 HP – in kW denken die Amerikaner ja nicht – und dies ist schon im Dezember 2010 in den USA bzw. Januar 2011 in Kanada in Kraft getreten. In Europa dagegen wird Effizienz nach IE3 erst ab Jahresanfang 2015 vorgeschrieben, und zwar zunächst nur für Motoren ab 7,5 kW. China wiederum, um den wichtigsten asiatischen Markt anzusprechen, nennt die IE2-Einstufung „Grade 2“ und macht solche Motoren kurz nach dem europäischen Stichtag zur Pflicht, nämlich ab Juli 2011. Im Unterschied zu Europa sind dort aber nicht erst die Baugrößen größer 0,75 kW betroffen, sondern auch schon Motoren mit 0,55 kW Leistung. In Indien wiederum ist voraussichtlich erst 2013 mit der IE2-Einführung zu rechnen – dann aber wahrscheinlich schon für Motoren ab 0,37 kW.   TR: Wird es künftig weiterhin verschärfte Energieeffizienzklassen, möglicherweise auch für Motoren anderer Leistungsklassen, geben?  
Wiedemann: Dass noch schärfere Anforderungen kommen werden, steht fest. Die genaue Ausgestaltung ist zwar zum Teil noch offen, beschlossen ist aber zumindest, dass zuerst nach und nach die Verpflichtung zum Einsatz von Motoren der Kategorie IE3 greifen wird – und mancherorts ja wie erwähnt schon heute greift. Stichdaten, Anwendungsbereiche und viele Detailvorgaben und Ausnahmeregelungen unterscheiden sich erneut von Region zu Region deutlich. IE3-Motoren müssen noch einmal eine mindestens zehn Prozent höhere Effizienz als die Klasse IE2 erreichen. Dafür ist zum Teil eine andere Materialauswahl erforderlich; jedenfalls ist es erforderlich, die Rotorverluste erheblich zu vermindern. Die nächste Stufe namens IE4 ist auch schon in Vorbereitung. Der weitere Ausbau des Systems ist ebenfalls sicher. Für die meisten OEMs und Anwender bleibt vor allem in Europa vorerst aber wirklich genug mit der aktuellen IE2-Einführung zu tun. TR: Herr Wiedemann, vielen Dank für dieses Gespräch.