Wie digitale Paralleluniversen die Industrie verändern

Sie­mens, die Deut­sche Bahn und der Köl­ner Kunst­stoff­spe­zia­list igus: Sie al­le ex­pe­ri­men­tie­ren mit dem In­dus­tri­al Me­ta­ver­se – mit di­gi­ta­len Par­al­lel­uni­ver­sen, die auf Ver­trieb, En­gi­nee­ring und Ser­vice dis­rup­tiv wir­ken könn­ten. Ähn­lich wie einst die Ein­füh­rung von Fließ­band und Ro­bo­tik. Was die Tech­no­lo­gie aus­zeich­net.

  • Mit dem iguversum schafft igus eine digitale Welt, die Vertrieb und Engineering auf das Metaverse vorbereitet. (Quelle: igus GmbH)
    Mit dem iguversum schafft igus eine digitale Welt, die Vertrieb und Engineering auf das Metaverse vorbereitet. (Quelle: igus GmbH)
  • Mithilfe einer VR-Brille können Kunden und Vertrieb gemeinsam in das Metaverse eintauchen. (Quelle: igus GmbH)
    Mithilfe einer VR-Brille können Kunden und Vertrieb gemeinsam in das Metaverse eintauchen. (Quelle: igus GmbH)
  • Per Augmented Reality können Kunden einen Röntgenblick ins Innere von Produkten und deren Mechanik werfen. Ein Beispiel hierfür: die Energiekette der Serie triflex TRX. (Quelle: igus GmbH)
    Per Augmented Reality können Kunden einen Röntgenblick ins Innere von Produkten und deren Mechanik werfen. Ein Beispiel hierfür: die Energiekette der Serie triflex TRX. (Quelle: igus GmbH)

Mit ei­nem Ava­tar durch vir­tu­el­le Wel­ten ren­nen, mit Freun­den Aben­teu­er er­le­ben, ge­mein­sam ge­gen wü­ten­de Zom­bies kämp­fen: All­tag für Ge­ne­ra­ti­on Z. Die zwi­schen 1995 und 2010 Ge­bo­re­nen be­we­gen sich in Spie­len wie Fort­ni­te oder Ro­blox ganz selbst­ver­ständ­lich durch di­gi­ta­le Par­al­lel­uni­ver­sen, die der Sci­ence-Fic­tion-Au­tor Ne­al Ste­phen­son 1992 in sei­nem Ro­man Snow Crash erst­mals als Me­ta­ver­se be­zeich­ne­te. Weit mehr als Spie­le­rei. Der di­gi­ta­le Raum zählt zu den tech­no­lo­gi­schen Trend­the­men. Bis 2030 könn­te das Me­ta­ver­se ei­nen Markt­wert von bis zu fünf Bil­lio­nen US-Dol­lar er­rei­chen, schätzt die Un­ter­neh­mens­be­ra­tung McK­in­sey. Tech­no­lo­gi­en wie Künst­li­che In­tel­li­genz, Big Da­ta, Ma­chi­ne Learning und 5G wer­den ge­nü­gend Durch­schlags­kraft ent­wi­ckeln, um auch die In­dus­trie tief­grei­fend zu ver­än­dern. Stich­wort In­dus­tri­al Me­ta­ver­se. Un­ter­neh­men spie­geln dort ih­re Tech­no­lo­gie schon heu­te als 3D-Mo­del­le. Teams aus al­ler Welt kön­nen dann über Län­der und Kon­ti­nen­te hin­weg im di­gi­ta­len Raum als Ava­tare zu­sam­men­ar­bei­ten und Ma­schi­nen, An­la­gen und gan­ze Fa­bri­ken pla­nen – schnel­ler, si­che­rer und wirt­schaft­li­cher als es in der phy­si­schen Rea­li­tät mög­lich ist. 

Gan­ze Fa­bri­ken mit di­gi­ta­len Zwil­lin­gen pla­nen und be­trei­ben 

Wie das Me­ta­ver­se das En­gi­nee­ring ver­än­dert, zeigt die Di­gi­tal Na­ti­ve Fac­to­ry von Sie­mens im chi­ne­si­schen Nan­jing, ein Fer­ti­gungs­zen­trum, in dem das Un­ter­neh­men CNC-Sys­te­me, An­trie­be und elek­tri­sche Ser­vo­mo­to­ren her­stellt. Die Be­son­der­heit: der so­ge­nann­te Di­gi­tal-Twin-An­satz. Da­bei hat Sie­mens vor dem Bau der Fa­brik die ge­sam­te In­fra­struk­tur in­klu­si­ve al­ler Ma­schi­nen und An­la­gen mit ei­nem di­gi­ta­len Zwil­ling si­mu­liert. So konn­te das Un­ter­neh­men Ge­bäu­de­ab­mes­sun­gen, Ma­te­ri­al­flüs­se und Me­di­en­ver­sor­gun­gen wie Stick­stoff, Strom und IT ge­nau­er denn je pla­nen. Ge­treu dem Mot­to: In der di­gi­ta­len Welt op­ti­mie­ren, um es in der rea­len Welt beim ers­ten Mal rich­tig zu ma­chen. Das Er­geb­nis: Das Un­ter­neh­men hat Pla­nungs­feh­ler früh­zei­tig aus­ge­räumt, die frü­her viel Geld und Zeit ge­kos­tet hät­ten. Und dank der di­gi­ta­len Pla­nung die Pro­duk­ti­vi­tät der Fa­brik um 20 Pro­zent ge­stei­gert. Doch da­mit nicht ge­nug. Im nächs­ten Schritt plant Sie­mens, di­gi­ta­le Zwil­lin­ge zu schaf­fen, die nicht nur wie ech­te Ma­schi­nen aus­se­hen, son­dern sich auch ge­nau­so ver­hal­ten. Be­deu­tet: Si­mu­lie­ren Tech­ni­ker bei­spiels­wei­se ei­nen Tem­pe­ra­tur­an­stieg in der Um­ge­bung, kön­nen sie die Re­ak­tio­nen der di­gi­ta­len Zwil­lin­ge be­trach­ten und Eins-zu-Eins Rück­schlüs­se auf die Rea­li­tät zie­hen. 

Köl­ner Kunst­stoff­spe­zia­list igus ent­wi­ckelt das igu­ver­sum 

Sie­mens ist in Deutsch­land al­ler­dings nicht das ein­zi­ge Un­ter­neh­men, wel­ches das Po­ten­ti­al des In­dus­tri­al Me­ta­ver­se er­kannt hat. Auch der Kunst­stoff­spe­zia­list igus aus Köln, der 2022 zum ers­ten Mal die Um­satz­mil­li­ar­de er­reicht hat, ex­pe­ri­men­tiert mit der vir­tu­el­len Rea­li­tät. Un­ter an­de­rem, um den Ver­trieb zu re­vo­lu­tio­nie­ren. So kön­nen Kun­den bei Be­ra­tungs­ter­mi­nen ei­ne Vir­tu­al-Rea­li­ty-Bril­le auf­set­zen und in das so­ge­nann­te igu­ver­sum ein­tau­chen – ein vir­tu­el­ler Raum, in dem al­le Pro­duk­te als di­gi­ta­le Zwil­lin­ge er­leb­bar sind. Fast haut­nah zu be­stau­nen ist bei­spiels­wei­se das 3D-Mo­dell ei­nes Mi­ni-Vans, in dem mo­ti­on plas­tics aus Hoch­leis­tungs­kunst­stof­fen von igus ver­baut sind. Oder ein Fahr­rad, das zu 100 Pro­zent aus Kunst­stoff be­steht. Dar­über hin­aus auch In­fra­struk­tur wie das 3.800 Qua­drat­me­ter gro­ße La­bor, das an hun­der­ten Sta­tio­nen je­des Jahr tau­sen­de Pro­duk­te tes­tet. „Wir be­ge­ben uns mit dem igu­ver­sum auf ei­nen neu­en Weg des Prä­sen­tie­rens, Ver­kau­fens und En­gi­nee­ring“, sagt igus Ge­schäfts­füh­rer Frank Bla­se. Auf ei­nen Weg, der ei­nen be­son­de­ren Ein­druck auf Men­schen macht. So sei es laut Bla­se im Ver­gleich zu klas­si­schen Ver­triebs­tools wie Bro­schü­ren und Power­point-Prä­sen­ta­tio­nen we­sent­lich wahr­schein­li­cher, dass sich Kun­den an Er­leb­nis­se aus der Vir­tu­el­len Rea­li­tät er­in­nern. Das be­stä­ti­gen auch Be­su­cher der Mes­se IAA Trans­por­ta­ti­on 2022 in Han­no­ver, wel­che auf dem Mes­se­stand von igus die An­fän­ge des igu­ver­sums be­staun­ten. „Wir wa­ren un­ge­fähr ei­ne Stun­de im igus Par­al­lel­uni­ver­sum. Mit un­se­ren vir­tu­el­len Hän­den konn­ten wir die Pro­duk­te groß und klein zie­hen und im De­tail an­se­hen“, sagt Di­na Reit, Ge­schäfts­füh­re­rin bei SK La­ser, ein Pro­du­zent von La­ser­an­la­gen aus Wies­ba­den-Nor­den­stadt. „igus geht da­mit die ers­ten Schrit­te in Rich­tung Me­ta­ver­se im Ma­schi­nen- und An­la­gen­bau und das birgt gro­ßes Po­ten­ti­al für Pro­dukt­prä­sen­ta­tio­nen.“ 

Oh­ne Orts­be­gren­zung: In­ge­nieu­re und Ma­te­ri­al­ex­per­ten aus al­ler Welt ar­bei­ten im igu­ver­sum zu­sam­men 

Pro­duk­te auf neue Art und Wei­se er­leb­bar ma­chen, ist al­ler­dings nur die ers­te Evo­lu­ti­ons­stu­fe des igu­ver­sums. Der Plan des Köl­ner Un­ter­neh­mens: Zu­künf­tig sol­len Kun­den, In­ge­nieu­re und Ma­te­ri­al­ex­per­ten aus al­ler Welt als Ava­tare im di­gi­ta­len Raum zu­sam­men­kom­men und dort gan­ze En­gi­nee­ring-Pro­jek­te durch­füh­ren. Schnel­ler und rei­bungs­är­mer, als es in der phy­si­schen Welt al­lein mög­lich ist. An­rei­sen ent­fal­len. Eben­so zeit­fres­sen­de E-Mail-Kor­re­spon­denz und Te­le­fon-Odys­se­en. Ein wei­te­rer Vor­teil: Pro­jek­te wer­den vom ers­ten Tag an an­schau­li­cher und greif­ba­rer. So müs­sen In­ge­nieu­re nicht län­ger abs­trak­te Da­ten­blät­ter aus­tau­schen. Statt­des­sen kön­nen sie im igu­ver­sum 3D-Mo­del­le von Ma­schi­nen und An­la­gen er­stel­len. Zie­hen die Pro­jekt­be­tei­lig­ten dann ei­ne VR-Bril­le an, kön­nen sie die di­gi­ta­len Zwil­lin­ge von al­len Sei­ten be­trach­ten. Und so – ähn­lich wie bei der Di­gi­tal Na­ti­ve Fac­to­ry von Sie­mens – schnel­ler ei­ne Vor­stel­lung von Grö­ße und Funk­ti­ons­wei­se ge­win­nen. Und ge­nau wie Sie­mens plant auch igus, das Me­ta­ver­se nicht nur für das En­gi­nee­ring von Ma­schi­nen und An­la­gen zu nut­zen, son­dern auch für Be­trieb und Ser­vice. Ein Af­ter-Sa­les-Me­ta­ver­se so­zu­sa­gen. Dort könn­ten sich in Zu­kunft Ma­schi­nen­be­trei­ber und Tech­ni­ker tref­fen, um Pro­dukt­schu­lun­gen durch­zu­füh­ren. Die Er­fah­rung soll na­he­zu le­bens­echt und so­mit we­sent­lich ef­fek­ti­ver sein als Schu­lungs­vi­de­os. Da­von scheint auch die Deut­sche Bahn über­zeugt. Das Un­ter­neh­men nutzt in den Schu­lungs­zen­tren mitt­ler­wei­le Smart Glas­ses und in­tel­li­gen­te Soft­ware. Nach­wuch­s­tech­ni­ker kön­nen sich da­mit Stell­wer­ke oder Wei­chen vir­tu­ell an­zei­gen las­sen. Und mit den di­gi­ta­len Zwil­lin­gen in­ter­agie­ren. Fast so le­bens­echt wie in der Rea­li­tät. 

Wie Pokémon Go – Das Me­ta­ver­se mit der Wirk­lich­keit ver­schmel­zen 

Teil der Vi­si­on des Köl­ner Kunst­stoff­spe­zia­lis­ten igus ist es zu­dem, das vir­tu­el­le igu­ver­sum mit der Wirk­lich­keit zu ver­schmel­zen. Die Brü­cken­tech­no­lo­gie: Die Aug­men­ted Rea­li­ty, ei­ne Tech­no­lo­gie, die vie­len Men­schen vom Com­pu­ter­spiel Pokémon Go be­kannt ist. Da­bei be­trach­ten Spie­ler ih­re Um­ge­bung durch die Ka­me­ra ih­res Smart­pho­nes und ja­gen ein­ge­blen­de­te vir­tu­el­le Fan­ta­sie­we­sen. Ei­ne Ver­mi­schung der rea­len und vir­tu­el­len Welt, von der auch In­ge­nieu­re pro­fi­tie­ren. So kön­nen Sie 3D-Mo­del­le aus dem igu­ver­sum über ei­ne Aug­men­ted-Rea­li­ty-Soft­ware von igus kur­zer­hand in ih­rer Um­ge­bung po­si­tio­nie­ren. Und so früh­zei­tig ei­nen Ein­druck ge­win­nen, ob die rea­le Um­welt mit der ge­plan­ten Ma­schi­ne in Ein­klang zu brin­gen ist. Ei­ne ver­gleich­ba­res Ex­pe­ri­ment hat igus be­reits für den Ver­trieb ent­wi­ckelt. Ein Bei­spiel: En­er­gie­ket­ten der Se­rie trif­lex. Ver­triebs­mit­ar­bei­ter hat­ten frü­her kaum ei­ne Chan­ce, ins In­ne­re ei­ner ge­schlos­se­nen Mus­ter­ket­te zu bli­cken. Ei­ni­ge me­cha­ni­sche Prin­zi­pi­en blie­ben der Vor­stel­lungs­kraft über­las­sen. Mit­hil­fe der Soft­ware wird es nun mög­lich, das Pro­dukt durch die Smart­pho­ne-Ka­me­ra zu be­trach­ten. Das Pro­gramm über­la­gert das Bild in Echt­zeit mit ei­nem vir­tu­el­len Zwil­ling. So wird ei­ne Art Rönt­gen­blick ins In­ne­re der Ket­te auf die Me­cha­nik mög­lich. Er­klä­rungs­be­dürf­ti­ge Pro­duk­te wer­den dank der Aug­men­ted-Rea­li­ty le­ben­dig. 

Wie schnell und in wel­che Rich­tung sich das In­dus­tri­al Me­ta­ver­se ent­wi­ckelt, steht in den Ster­nen. Fest steht aber: Es sind nicht nur Un­ter­neh­men wie Sie­mens und igus, die über die Ent­wick­lung ent­schei­den. Ge­nau­so wich­tig sind die Be­nut­zer selbst. Wie es um ih­re Ein­stel­lung zum The­ma be­stellt ist, zeigt ei­ne Um­fra­ge des Soft­ware­her­stel­lers Team­View­er. Von 2.500 aus­ge­wähl­ten Per­so­nen, die den Be­griff Me­ta­ver­se schon ein­mal ge­hört ha­ben, hat­te die Mehr­heit kei­ne Vor­stel­lung vom In­dus­tri­al Me­ta­ver­se. Fast 70 Pro­zent wa­ren über die Tech­no­lo­gie nicht in­for­miert. Vor dem Durch­bruch steht al­so noch Auf­klä­rungs­ar­beit, da­her setzt igus wie bei al­len sei­nen Ex­pe­ri­men­ten im­mer den Kun­den­nut­zen vor­an: ist das Tech oder kann das weg?

Aussteller Hannover Messe 2023: Halle 6. E26