Der deterministische Betrieb ermöglicht neue Ethernet-Anwendungen

Neue Netzwerkprotokolle werden entwickelt, um einen höheren Datendurchsatz zu erzielen, auch wenn es noch andere Aspekte der Leistungsfähigkeit gibt. So benötigen Sensoren und Aktoren in Fabriken und Gebäuden nur wenige Daten, haben aber andere Anforderungen, wenn sie am Netzwerkrand (Edge) arbeiten. Schnelles Single-PairEthernet soll hier Probleme für verschiedenste Anwendungen lösen.

  • Industrie 4.0 stellt andere Anforderungen an die Vernetzung
    Industrie 4.0 stellt andere Anforderungen an die Vernetzung
  • Der PLCA-Ansatz gewährleistet, dass 10BASE-T1S deterministisch ist
    Der PLCA-Ansatz gewährleistet, dass 10BASE-T1S deterministisch ist
  • Der integrierte 10BASE-T1S-Transceiver NCN26010 von onsemi
    Der integrierte 10BASE-T1S-Transceiver NCN26010 von onsemi

SPE gibt es schon seit einiger Zeit in Punkt-zu-Punkt-Konfigurationen. Aber trotz hoher Datenraten fehlte diesen Varianten der Determinismus, der für viele Anwendungen erforderlich ist, um einen schnellen und wiederholbaren Betrieb zu gewährleisten.

Ethernet basiert auf Carrier-Sense-Mehrfachzugriff mit Kollisionserkennung (CSMA/CD), um zu entscheiden, welcher Knoten Zugang zum gemeinsamen Netzwerkmedium (Kabel) erhält. Wird eine Kollision erkannt, unterbrechen die sendenden Knoten die Übertragung für eine zufällige Zeitspanne, bevor sie es erneut versuchen. Dieser Prozess vermeidet Datenverfälschungen aufgrund von Kollisionen. Die zufälligen Latenzen machen jedoch jegliche Zeitgarantie unmöglich.

Für Industrie- und Automotive-Anwendungen musste Determinismus eingebaut werden – Brems- oder Lenksysteme mit zufälliger Verzögerung wären äußerst gefährlich. Bei der Entwicklung von 10BASE-T1S (ein Netzwerkprotokoll, das eine Multi-Drop-Datenkommunikation mit Raten von bis zu 10 MBit/s über Kabel von bis zu 25 m Länge ermöglicht) war dies ein wichtiges Ziel.

Das neue Medienzugriffsprotokoll PLCA (Physical Layer Collision Avoidance) garantiert maximale Latenz in einem Halbduplex-Multidrop-Netzwerk. Ein PLCA-Übertragungszyklus wird von einem Koordinator (Knoten 0) eingeleitet, der ein Beacon-Signal sendet, damit sich alle anderen Netzknoten synchronisieren können. Anschließend wird dem ersten Knoten (Knoten 1) ein Angebot zur Übertragung gemacht. Wenn keine Daten zum Senden vorhanden sind, wird das Angebot an Knoten 2 gesendet und so weiter, bis jeder Knoten eine oder mehrere Sendemöglichkeiten erhalten hat. Sobald der Zyklus abgeschlossen ist, beginnt er einfach wieder mit der Übertragung eines weiteren Beacon-Signals und bietet dann die Übertragung an.

Damit der Datenbus nicht von einem einzigen Knoten monopolisiert wird, kann die Anzahl der Frames pro Sendegelegenheit über die Einstellung „Burst-Modus“ festgelegt werden. Die Voreinstellung ist ein Frame pro Übertragungsmöglichkeit, kann aber je nach Anforderung der Anwendung auf bis zu 128 Frames eingestellt werden. Da es nicht zu Datenkollisionen kommen kann, hat diese Einstellung keine Auswirkungen auf den Gesamtdurchsatz.

Ein normales Ethernet-Kabel enthält vier verdrillte Adernpaare, die für kostengünstige Installationen als zu teuer angesehen werden. Die Dicke und das Gewicht des Kabels können die Installation erschweren. Als 10BASE-T1S entwickelt wurde, basierte es auf einem einzigen verdrillten Adernpaar, was die Kosten erheblich senkte und die Installation erleichterte.

Frühe Versionen von Ethernet waren nicht auf elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) ausgelegt, aber da 10BASE-T1S speziell für den industriellen Einsatz entwickelt wurde, war der zuverlässige Betrieb in rauen Industrieumgebungen ein wichtiges Designziel.

Das Ziel wurde erreicht, und 10BASE-T1S bietet eine bessere EMV-Leistungsfähigkeit als die meisten Protokolle. Es erfüllt auch die EMI-Anforderungen der Klasse 3 nach IEC61000-4-6, wenn es über ungeschirmte einpaarige Kabel übertragen wird. Dies ist ein Nebeneffekt von PLCA, da die Beseitigung von Kollisionen den Einsatz fortschrittlicher Techniken zur Identifizierung von Signalen inmitten hoher elektrischer Rauschpegel ermöglicht.

10BASE-T1S in industriellen Edge-Anwendungen

10BASE-T1S bietet Produktentwicklern und Betreibern von Anlagen im industriellen Umfeld Vorteile für den Einsatz von Temperaturund Drucksensoren, Roboter- und HVAC-Aktoren, Ventilatoren, Spannungswächter oder Stromwandlern. Ebenso bei anderen Modulen, die mit niedrigen Datenraten an Schaltschränke angeschlossen sind.

Ältere Techniken wie RS-485 und UART sowie FieldBus können durch ein Einkabel-MultidropSystem ersetzt werden. Ein Vorteil liegt in der Wartung, da Geräte entfernt oder ersetzt werden können, ohne die Leistungsfähigkeit zu beeinträchtigen oder kostspielige Ausfallzeiten zu verursachen. Da alles über ein einziges Kabel mit einem einzigen Protokoll läuft, erübrigen sich Gateways, Switches und Protokollübersetzer, was Kosten, Platz und Strom spart.

Multifunktionaler MACPHY-Transceiver

In den meisten Fällen bieten 10BASE-T1S-Ethernet-PHY-Controller lediglich die Funktionen der physikalischen Schicht (PHY), die zum Senden und Empfangen von Daten über ein ungeschirmtes einpaariges Kabel erforderlich sind. Normalerweise enthalten sie auch eine medienunabhängige Schnittstelle (MII) zur Kommunikation mit einem Media Access Controller (MAC).

Der neu entwickelte IEEE-802.3cg-konforme Ethernet-Transceiver NCN26010 von onsemi verfolgt einen anderen Ansatz, indem er einen MAC, einen PLCA Reconciliation Sublayer (RS) und einen 10BASE-T1S PHY in einem einzigen Gehäuse kombiniert und damit den zweistufigen Ansatz anderer Lösungen hinfällig macht. Der NCN26010 enthält alles, was notwendig ist, um die Funktionen der physikalischen Schicht bereitzustellen, die für das Senden und Empfangen von Daten über eine einzige ungeschirmte verdrillte Zweidrahtleitung (UTP) und die Kommunikation mit einer HostMCU über das MACPHY-SPI-Protokoll der Open Alliance erforderlich sind. Da PHY und MAC integriert sind, ist das NCN26010-basierte 10BASE-T1S-Ethernet mit Sensoren und anderen industriellen Geräten mit Mid- und Low-End-MCUs kompatibel, die keinen integrierten MAC haben. Für Systementwickler bedeutet dies weniger Komplexität und die Möglichkeit, Knoten nach der Installation des Systems neu zu konfigurieren.

Der NCN26010 wurde für den Einsatz in elektrisch störbehafteten Fertigungsumgebungen entwickelt und verfügt über einen verbesserten Störimmunitätsmodus mit überlegener Bitfehlerratenleistung (BER). Er erfüllt den den IEC6100-4-6-Test für leitungsgebundene Störfestigkeit. Daher kann der NCN26010 bis zu acht Knoten über Kabellängen von bis zu 50 m unterstützen (der IEEE-802.3cg-Standards erfordert nur 25 m). Darüber hinaus ermöglicht die reduzierte Kapazität an den Leitungspins den Anschluss von bis zu 40 Knoten an ein einziges 25 m langes einpaariges Kabel und übertrifft damit die Anforderungen des IEEE-802.3cg-Standards um den Faktor 5.

Durch die Übernahme des schichtweisen Ethernet-Ansatzes wirkt sich ein Wechsel des PHY innerhalb des NCN26010 nicht auf die oberen Schichten aus, was die Softwarewartung einfacher und kostengünstiger macht. Der Transceiver wird im 4 mm x 4 mm QFN32- oder 5 mm x 5 mm TQFP32-Gehäuse ausgeliefert, da der Bedarf an kompakten Lösungen erkannt wurde. Er eignet sich für den Einsatz in Industrie- und Fertigungsumgebungen sowie in der Gebäudeautomatisierung, Straßenbeleuchtung, im Schienenverkehr und in zahlreichen Automotive-Anwendungen.

Mit der Einführung von 10BASE-T1S deckt Ethernet durch seinen neuen deterministischen Multi-Drop-Betrieb nun noch mehr Anwendungen ab, darunter Automotive, Industrie und Edge Computing.

 

Autor: Arndt Schuebel, Technical Marketing / Application I4.0 Wired Connectivity, onsemi