„Kundenspezifische Lösungen als Teil der grundsätzlichen Produktentwicklung“

Interview mit Torsten Blankenburg, Chief Technical Officer (CTO) SIEB & MEYER AG, Lüneburg

  • Torsten Blankenburg, Chief Technical Officer (CTO) bei SIEB & MEYER
    Torsten Blankenburg, Chief Technical Officer (CTO) bei SIEB & MEYER
  • Manuelle Bestückung bei SIEB & MEYER 1962 in Hamburg…
    Manuelle Bestückung bei SIEB & MEYER 1962 in Hamburg…
  • ...und heute in Lüneburg
    ...und heute in Lüneburg
  • Der Antriebsverstärker SD2S löst unterschiedliche Steuerungsaufgaben.
    Der Antriebsverstärker SD2S löst unterschiedliche Steuerungsaufgaben.

TR: Im vergangenen Jahr haben Sie Ihr 50-jähriges Firmenjubiläum gefeiert. Was würden Sie im Rückblick als die wichtigsten drei Meilensteine in Ihrer Unternehmensgeschichte hervorheben?
Blankenburg: In den 1970ern hatte sich SIEB & MEYER auf den Steuerungsbereich für die Leiterplattenfertigung ausgerichtet, bewusst hatte man sich dabei aus dem Bereich der Holzbearbeitung zurückgezogen, um somit fokussiert agieren zu können. Ein weiterer Meilenstein war die Internationalisierung des Unternehmens Mitte der 1980er in Richtung Taiwan und China. In der jüngeren Geschichte stellt mit Sicherheit der Generationswechsel in der Unternehmensführung und die damit auch einhergehenden Strukturveränderungen einen wichtigen Wendepunkt dar.

TR: Wo sehen Sie die größten Stärken Ihres Unternehmens?
Blankenburg: Aufbauend auf das über viele Jahre erlangte Know-how kann SIEB & MEYER speziell auf seinen Kunden bzw. deren Applikation zugeschnittene Lösungen bieten und diese auch flexibel produzieren. Speziell im Bereich der Antriebselektronik und Einspeisetechnik identifizieren wir uns nicht mit bestimmten Branchen, sondern über Applikationen, sodass wir dafür offen sind, unsere Produkte auch in neue Applikationsbereiche einzubringen.

TR: Sie unterteilen Ihr Angebotsspektrum grob gesagt in Steuerungstechnik, Antriebselektronik und Einspeisetechnik. Wie sieht hierbei die Umsatzverteilung aus?
Blankenburg: Das CNC-Systemgeschäft im Bereich der Leiterplattenbearbeitung stellt seit Jahren den größten Umsatzanteil dar, wobei der Bereich der Antriebselektronik auf gutem Wege ist, das gleiche Niveau zu erreichen. Der für uns noch junge Bereich der Einspeisetechnik stellt ein zukünftiges Wachstumspotential dar. Hierbei ist dieser Teil immer stärker vermischt mit der Antriebselektronik, da wir z. B. Einspeisesysteme für Hochgeschwindigkeitsgeneratoren liefern.

TR: Ein weiterer Bereich sind die kundenspezifischen Lösungen. Welche Bedeutung nehmen diese heute bei Sieb & Meyer ein?
Blankenburg: Unsere "Standardprodukte" zielen bereits auf Nischenanwendungen fern ab der Massenproduktion. Daher ist es für uns nur eine konsequente Weiterführung dieser Strategie, die bestehenden Entwicklungs- und Fertigungskompetenzen sowie die Technologieplattformen unseren Kunden als zugeschnittene Lösung anzubieten. Wir sehen daher kundenspezifische Lösungen nicht als eigenen Bereich, sondern als Teil der grundsätzlichen Produktentwicklung.

TR: Welche Industriebranchen sind für Sie besonders wichtig?
Blankenburg: Eine feste Zuordnung zu einer Industriebranche ist eigentlich nur für den Bereich der CNC-Systeme für die Leiterplattenbearbeitung möglich. Im Bereich der Antriebselektronik kann man zwar die globalen Branchen "Automobilbau" und "Werkzeugmaschinenbau" nennen, jedoch definieren wir uns eher über spezifische Kundengruppen bzw. Applikationsbereiche, bei denen unsere "Nischenprodukte" und deren Alleinstellungsmerkmale Vorteile bieten.

TR: Viele Experten, vor allem auf dem Gebiet der Antriebstechnik, sind der Meinung, dass die heutigen und künftigen Innovationen nicht mehr bei der Hardware, sondern im Bereich Software stattfinden (werden), da so anwendungsspezifische Anpassungen von Maschinen und Anlagen am wirtschaftlichsten zu realisieren wären. Teilen Sie diese Ansicht, und wie spiegelt sich dies ggf. im aktuellen Angebotsspektrum von Sieb & Meyer wider?
Blankenburg: Grundsätzlich kann ich diese Einschätzung bestätigen, da heute die eigentlichen Funktionen eines Produktes maßgeblich durch die Software bestimmt werden. Unsere Antriebsverstärker können z.B. mittels unterschiedlicher Software als Frequenzumrichter für HS-Motoren oder dynamischer Positionierverstärker fungieren. In der Vergangenheit waren dies zwei hardwareseitig unterschiedliche Geräteausprägungen. Die in den Produkten zur Verfügung stehende Controllerleistung erlaubt es auch zunehmend komplexe Softwareprogramme im Antriebsverstärker zu realisieren. Nichtsdestotrotz sehe ich für uns weiterhin auch Innovationsmöglichkeiten auf der Hardwareseite, sei es der Einsatz neuer Leistungshalbleiter oder auch die Realisierung applikationsspezifischer Geräteausprägungen.

TR: Energieeffizienz ist eines der wichtigsten Themen auch auf dem Feld der industriellen Produktion, da ein Großteil der Energie im Fertigungsprozess von der elektrischen Antriebstechnik bzw. der Fluidtechnik verbraucht wird. Was bieten Sie Ihren Kunden, damit diese hierbei besondere Wirtschaftlichkeit erzielen?
Blankenburg: Wir sehen hier die Möglichkeit, direkt oder auch indirekt unseren Betrag zu leisten. Direkt optimieren wir unsere Produkte kontinuierlich in Bezug auf die eigene Effizienz, z. B. durch integrierte Stand-by-Funktionen. Indirekt ermöglichen speziell unsere Frequenzumrichter-Lösungen, bei denen der Einsatz von Hochgeschwindigkeitsmotoren zu Effizienzsteigerungen von Prozessen führt, z. B. im Bereich von Turboverdichtern.

TR: Können Sie unseren Lesern einen kleinen Ausblick auf die Produkt-Neuentwicklungen geben, die in nächster Zeit aus dem Hause Sieb & Meyer zu erwarten sind?
Blankenburg: Im Bereich der CNC-Systeme werden wir die CNC 82.00-All-in-One in den Markt einführen. Hierbei handelt es sich um ein komplettes Steuerungs- und Antriebspaket in einem Gehäuse für Standard-LP-Fräsmaschinen. Im Weiteren werden wir unsere Entwicklungsplattform SD3 weiter ausbauen, sodass ein noch breiteres Funktions-/Technologiespektrum zur Realisierung kundenspezifischer intelligenter Antriebsverstärker zur Verfügung steht.