10 Fragen, die Sie sich vor der Entscheidung für Bin-Picking-Robotik stellen sollten

Bin-Picking-Robotik wurde von vielen als Lösung für die Automatisierung einer Vielzahl von Prozessanwendungen angesehen, aber in unterschiedlichen Industriezweigen ist die Akzeptanz dieser Art von Technologie nach wie vor gering. Autor: Nicolas Lauzier, Ph.D., Senior Product Manager, Robotiq

  • 10 Fragen, die Sie sich vor der Entscheidung für Bin-Picking-Robotik stellen sollten
    10 Fragen, die Sie sich vor der Entscheidung für Bin-Picking-Robotik stellen sollten

Auf dem Markt herrscht kein Man­gel an Lö­sun­gen, aber die Ein­tritts­bar­rie­ren, ins­beson­dere die Kom­plexi­tät und die Kos­ten der meis­ten Sys­teme, sind nach wie vor be­trächt­lich. An­ge­sichts des ho­hen Inte­gra­tions- und Pro­grammier­auf­wands, der er­for­der­lich ist, über­rascht es nicht, dass die meis­ten in der Pra­xis ein­ge­setz­ten Bin-Pick­ing-Sys­teme bei gro­ßen, hoch ent­wickel­ten Her­stel­lern wie z. B. Auto­mo­bil-OEMs zu fin­den sind. Die Ak­zep­tanz bei den KMUs ist viel ge­rin­ger. Je­doch fin­det sich die über­wie­gen­de Mehr­heit der Be­häl­ter- und Ver­ar­bei­tungs­an­lagen inner­halb der KMUs. Hier scheint der größ­te An­wen­dungs­be­reich für das au­to­ma­ti­sche Bin-Pick­ing zu lie­gen.

Je­doch muss für je­des Unter­neh­men, das ei­ne kon­ti­nu­ier­li­che Ver­ar­bei­tung be­nö­tigt, eine Lö­sung für die kon­se­quen­te Be­schi­ckung von Ver­ar­bei­tungs­an­la­gen mit Kom­po­nen­ten ge­fun­den wer­den. Das Zu­rück­grei­fen auf men­schli­che Ar­beits­kräf­te ist nicht im­mer eine Op­tion. Die Ar­beit ist lang­wei­lig, un­be­frie­di­gend und wieder­holt sich stän­dig. Das be­deu­tet, dass es selbst in Ge­gen­den oder Zei­ten mit hö­he­rer Ar­beits­losig­keit eine gro­ße Heraus­for­de­rung ist, Per­so­nen zu fin­den, die be­reit sind, die­se Ar­beit zu leis­ten. Gleich­zei­tig kön­nen die phy­si­schen Aus­wir­kun­gen des Bückens in Be­häl­ter zur Ent­nah­me von Kom­po­nen­ten zu Ge­sund­heits- und Sicher­heits­pro­blemen so­wohl für die Ar­bei­ter als auch für ih­re Arbeit­geber füh­ren.  Des Weite­ren nei­gen mensch­liche Arbeits­kräf­te zu Er­mü­dung oder Ab­len­kung, was zu in­kon­sis­ten­ter Platzie­rung der Kom­po­nen­ten mit den da­mit ver­bun­de­nen Pro­ble­men im wei­te­ren Ver­lauf oder so­gar zu unge­plan­ten Produk­tions­ausfäl­len fü­hren kann.

Herausforderungen

Theo­re­tisch ist es für eine Per­son eine ziem­lich ein­fache Auf­gabe, ei­nen Gegen­stand aus ei­nem Behäl­ter zu neh­men und ihn an der rich­tigen Stel­le und in der richti­gen Aus­rich­tung, nor­maler­weise auf ein Förder­band, abzu­legen. Je­doch stellt die Aus­wahl von Ob­jek­ten in zufäl­ligen Posi­tionen, die sich über­lappen und über­ein­ander lie­gen, so­wie die an­schlie­ßen­de Aus­rich­tung und kor­rek­te Platzie­rung der Ob­jek­te unzäh­lige He­raus­forde­run­gen für Robo­ter­sys­teme dar.

Der Robo­ter muss in der La­ge sein, Tei­le in zahl­rei­chen Posi­tio­nen zu sammeln und bis in die tiefs­ten Ecken des Behäl­ters zu grei­fen, wobei Kol­li­sio­nen mit dem Be­häl­ter, an­de­ren Tei­len oder der Ar­beits­zel­le selbst ver­mie­den wer­den müs­sen. Dies stellt eine gro­ße Heraus­for­de­rung für die Bild­ver­ar­bei­tung dar. Hier­zu ge­hö­ren Pro­ble­me wie Ok­klu­sion, bei der eini­ge Ob­jek­te teil­weise oder voll­stän­dig durch an­de­re, die sich auf ih­nen be­fin­den, ver­deckt wer­den, und Be­leuch­tung, bei der Ob­jek­te Schat­ten auf­ein­an­der wer­fen, die sie vor der Kame­ra ver­ber­gen. Ein wei­te­res Pro­b­lem stel­lt die Kan­ten­er­ken­nung dar: Bei Ob­jek­ten glei­cher Far­be und glei­chen Ma­te­rials kann es un­deut­lich sein, wo das ei­ne Ob­jekt be­gin­nt und das an­de­re auf­hört und zu Schwie­rig­kei­ten bei der Er­ken­nung der Um­ris­se je­des ein­zel­nen Ob­jekts füh­ren. Die­se Pro­b­le­me tre­ten so­wohl bei der 2D- als auch bei der 3D-Bild­ver­ar­bei­tung auf, vor al­lem aber bei der 2D-Vi­sion, da es fast un­mög­lich sein kann, ein­zelne Ob­jek­te zu er­ken­nen.

Diese An­wen­dun­gen er­for­dern in der Re­gel kom­ple­xe Er­fas­sungs­sys­teme, detail­lier­te Mo­del­le des Teils, des Be­häl­ters, des End­ef­fek­tors, der Platzierungs­ziele und even­tuel­ler Hin­der­nis­se sowie Al­go­rith­men zur kol­li­sions­freien Bahn­pla­nung in Echt­zeit. Ins­ge­samt er­gibt sich da­raus ein teu­res und zeit­auf­wän­di­ges Sys­tem­inte­gra­tions­pro­jekt, das auch ein detail­lier­tes Program­mier-Know-how er­for­dert. Zu­dem kön­nen je nach An­wen­dung und Stand­ort fes­te Kam­eras und zu­sätz­liche Beleuch­tung er­for­der­lich sein. 

Ein Robo­tik­ex­perte muss den Sen­sor, den Com­pu­ter, die Sof­tware und die Robo­ter­steue­rung inte­grie­ren und an­schlie­ßend ein Pro­gramm schrei­ben, das die Posi­tion je­des Teils ab­ruft und die Art und Wei­se der Be­för­de­rung zum Be­stückungs­ziel be­stimmt. Die Pla­nung ei­ner einzig­ar­ti­gen, kol­lisions­frei­en Bahn für je­des Teil im Be­häl­ter bis zum Be­stück­ungs­ziel ist äu­ßer­st kom­pli­ziert. Sie ist je­doch der wich­tig­ste Fak­tor für die Zu­ver­läs­sig­keit des Sys­tems und führt bei un­sach­gemä­ßer Aus­füh­rung zu Kol­li­sio­nen, zu im Be­häl­ter ver­blie­benen oder abge­wor­fe­nen Tei­len und nicht er­reich­ten Zie­len.

In­zwi­schen konn­ten all die­se Hür­den je­doch weit­ge­hend be­sei­tigt wer­den. Fort­schrit­te bei kos­ten­effek­tiven Co­bots, 3D-Bild­gebung und intel­ligen­ter Bewe­gungs­steue­rungs­soft­ware ermög­li­chen eine neue Gene­ra­tion von Bin-Pick­ing-Lö­sun­gen, die in der Lage sind, weit­aus mehr ma­schi­nel­le An­wen­dun­gen von heu­te zu bewäl­tigen, da­mit Her­stel­ler ih­re be­grenz­ten Res­sour­cen auf höher­wer­tige Auf­gaben ver­la­gern kön­nen. 

Mit die­ser neuen Tech­nolo­gie kön­nen alle Anwen­dungen, bei de­nen die Objek­te nicht zer­brech­lich sind und nicht je­des Mal auf die glei­che Wei­se ge­grif­fen wer­den müs­sen, bewäl­tigt wer­den. Dabei ist nur eine ein­fache Robo­ter­kame­ra er­for­der­lich. Sie funk­tio­niert durch Ver­ein­fach­ung des Er­ken­nungs­schritts. An­statt zu ver­suchen, Objek­te zu erken­nen, wenn sie über­ein­ander gesta­pelt sind, verla­gert das Sys­tem sie an ei­nen Ort, an dem sie von ei­nem Stan­dard-2D-Vi­sion-Sen­sor leich­ter er­kannt wer­den kön­nen.

Der Robo­ter­grei­fer greift ein­fach eine An­zahl der zu erfas­sen­den Objek­te. Für die­se Auf­gabe ist es nicht not­wen­dig, die Objek­te zu er­ken­nen, da der Grei­fer ein­fach in den Behäl­ter be­wegt wer­den kann, die Objek­te greift und dann auf ei­ne ebene Ober­flä­che fal­len lässt. Der Bild­verar­beitungs­sen­sor des Ro­bo­ters er­ken­nt die einzel­nen Ob­jek­te auf der Ober­fläche und hebt sie dann einzeln auf. Auf die­se Wei­se ent­fal­len teu­re Abtast- und Er­fas­sungs­sys­teme sowie Pro­gram­mier­al­go­rith­men, so­dass es für die meis­ten KMUs fi­nan­ziell er­schwing­lich ist.

Jüngste Fort­schrit­te der füh­ren­den Unter­neh­men im Be­reich der Cobot-An­wen­dun­gen ha­ben zur Ver­füg­bar­keit ver­ein­fach­ter Sys­teme ge­führt und er­mög­li­chen ei­ne schnel­le Ein­rich­tung für die Po­si­tio­nie­rung, Auf­nah­me, Hand­ha­bung und Platzie­rung von fla­chen und zy­lin­dri­schen Tei­len. Da­mit wird die Bin-Pick­ing-Ro­bo­tik in den fi­nanz­iel­len Rah­men vie­ler Un­ter­neh­men ge­bracht.

Die Frage lau­tet da­her nicht mehr „Kann ich Bin-Pick­ing durch­füh­ren?“, son­dern eher: „Ist Bin-Pick­ing im Mo­ment die rich­tige Wahl für mich?“  Im Fol­gen­den fin­den Sie 10 Fra­gen, die Ih­nen bei der Ent­schei­dung hel­fen sol­len, ob Bin-Pick­ing-Ro­bo­tik die rich­tige Wahl für Sie ist:

1. Warum zie­he ich Bin-Pick­ing-Ro­bo­tik in Be­tracht?

Warum den­ken Sie, dass Bin-Pick­ing eine gute Wahl sein könnte? Was hat Sie da­zu ver­an­las­st, es in Be­tracht zu zie­hen? Trotz der neu­en und ein­fachen Bin-Pick­ing-Lö­sun­gen soll­ten Sie nur dann mit die­sem Ver­fah­ren fort­fah­ren, wenn es wirk­lich die bes­te Lö­sung für Ihre ak­tu­el­len Prob­le­me ist.

2. Welche Haupt­auf­gaben ver­folgt Bin-Pick­ing?

Prüfen Sie, ob Bin-Pick­ing mit Ih­ren Geschäfts­zie­len über­ein­stim­mt. Wenn Sie bei­spiels­wei­se den Durch­satz er­hö­hen möch­ten, um Ih­re Pro­duk­tions­leis­tung zu stei­gern, kann Bin-Pick­ing durch­aus hilf­reich sein. Wenn Ihre Prio­ri­tät je­doch auf der Opti­mie­rung der Pro­dukt­qua­li­tät liegt, kann Bin-Pick­ing hier mög­licher­weise nur be­dingt wirk­sam sein.

3. Welche mei­ner An­wen­dun­gen kom­men für Bin-Pick­ing infra­ge?

Be­vor Sie Ih­re Ent­schei­dung da­rü­ber tref­fen, wel­che An­wen­dung zu­erst ein­ge­setzt wer­den soll, soll­ten Sie zu­nächst al­le Pro­zess­an­wen­dun­gen er­mit­teln, die even­tuell für Bin-Pick­ing in­frage kom­men. Sie wer­den mög­licher­weise fest­stel­len, dass meh­re­re An­wen­dun­gen in­fra­ge kom­men. Es empfiehlt sich, für Ih­ren ers­ten Ein­satz eine An­wen­dung aus­zu­wäh­len, die rela­tiv ein­fach zu inte­grie­ren ist und Ih­nen schnell ei­ne gute Ren­di­te bringt.

Man sollte auch nicht verges­sen, dass es im­mer An­wen­dun­gen ge­ben wird, die für ei­ne Auto­mati­sie­rung ein­fach zu kom­plex sind und auf abseh­bare Zeit mensch­liches Be­die­nungs­per­so­nal er­for­dern wer­den. Bin-Pick­ing ist kein All­heil­mit­tel für al­le Pro­zess­pro­ble­me.

4. Wird eine ak­zep­ta­ble In­ves­ti­tions­ren­dite er­zielt wer­den?

Wie bei jeder Ro­bo­ter­an­schaf­fung ist die Amor­ti­sa­tions­zeit von ent­schei­den­der Be­deu­tung; eine früh­zei­tige An­frage be­deu­tet grö­ße­re Klar­heit über die fi­nan­ziel­len Aus­wir­kun­gen für Ihr Unter­neh­men.

5. Wel­che Robo­ter unter­stützen Bin-Pick­ing aus dem Kar­ton?

Obwohl der Ein­satz von Bin-Pick­ing in letz­ter Zeit deut­lich verein­facht wur­de, han­delt es sich für eini­ge Ro­bo­ter­mar­ken im­mer noch um ei­ne kom­ple­xe An­wen­dung. Ver­gewis­sern Sie sich also, dass der von Ih­nen ge­wähl­te Robo­ter Ih­nen das Le­ben so ein­fach wie mög­lich macht. 

6. Was ist der bes­te Zeit­punkt für den Ein­satz Ih­res Bin-Pick­ing-Ro­bo­ters?

Sie sollten selbst er­mit­teln, ob der jetzi­ge Zeit­punkt für den Ein­satz Ih­res Bin-Pick­ing-Ro­bo­ters tat­säch­lich der Bes­te ist. Wenn das nicht der Fall ist, soll­ten Sie ent­schei­den, wann es bes­ser wäre.

7. Ist Bin-Pick­ing für Ih­re An­wen­dung unbe­dingt er­forder­lich?

Da Bin-Pick­ing heu­te viel ein­facher zu verwen­den ist als frü­her, könn­ten eini­ge Leu­te in Be­tracht zie­hen, es dort ein­zu­setzen, wo es nicht zwin­gend not­wen­dig ist. Es gibt un­ter Um­stän­den meh­re­re Mög­lich­kei­ten, die meis­ten An­wen­dun­gen oh­ne Ro­bo­ter be­reit­zu­stel­len. Wenn es also ei­nen ein­fache­ren Weg gibt, das gleiche Er­geb­nis zu er­zie­len, soll­ten Sie dies ernst­haft in Er­wä­gung zie­hen.

8. Welche Per­so­nen in Ih­rem Team kön­nen einen Bin-Pick­ing-Ro­bo­ter ein­rich­ten?

Da die Hand­ha­bung von Ro­bo­tern ein­facher ge­wor­den ist, ist es für Mit­ar­bei­ter Ih­res Teams, die zu­vor viel­leicht nicht über die rich­tigen Fähig­keiten ver­füg­ten, jetzt mög­lich, eine Ro­bo­ter­an­wen­dung zu ver­wen­den. Dies ist jetzt auch bei Bin-Pick­ing der Fall. Be­stim­men Sie, wel­che Mit­ar­bei­ter in Ih­rem Team die Ver­ant­wor­tung für den Ein­satz des Ro­bo­ters über­nehmen wer­den.

9. Haben Sie ein Support-Netz­werk für den Ro­bo­ter­ein­satz?

Von Vor­teil ist es na­tür­lich, ein Support-Netz­werk von Part­nern und Kol­le­gen zu ha­ben, die Er­fah­rung mit der Ro­bo­tik ha­ben. 

10. Wie fängt man am bes­ten an?

So­bald Sie fest­ge­stel­lt ha­ben, dass Bin-Pick­ing-Ro­bo­tik die richti­ge Lö­sung für Ihr Un­ter­neh­men ist, wer­den Sie sich ei­nen mög­lichst ein­fa­chen Ein­stieg wün­schen. Wen­den Sie sich an ei­nen un­ab­hän­gi­gen Ex­per­ten für Ro­bo­ter­an­wen­dun­gen, um Ih­re An­for­de­rung zu be­spre­chen.