Hart im Nehmen: Sensorsysteme für extrem raue Umgebungen

Bislang fehlt es der Industrie an robusten Sensoren, die extrem hohe Temperaturen und Drücke aushalten. Im Leitprojekt »eHarsh« haben acht Fraunhofer-Institute jetzt eine Technologieplattform für den Bau solcher Sensorsysteme entwickelt. Diese können sogar das Innere von Turbinen und tiefen Bohrlöchern für die Geothermie überwachen.

  • Dezember 2, 2021
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  • Keramische Leiterplatte mit Hochtemperatur-fähigen integrierten Schaltungen. © Fraunhofer IZM
    Keramische Leiterplatte mit Hochtemperatur-fähigen integrierten Schaltungen. © Fraunhofer IZM
  • Kopf des Sensors mit keramischem Sensorelement. © Fraunhofer ILT
    Kopf des Sensors mit keramischem Sensorelement. © Fraunhofer ILT

Sie nehmen stö­ren­de Vi­bra­tio­nen wahr, war­nen, wenn ei­ne Ma­schi­ne heiß läuft, und kön­nen schad­haf­te Bau­tei­le auf ei­nem Fließ­band er­ken­nen. Sen­so­ren spie­len heu­te in der Pro­duk­tion ei­ne Schlüs­sel­rol­le. Gan­ze Fer­ti­gungs­li­nien wer­den mit­hil­fe der zu­ver­läs­si­gen Füh­ler und künst­li­chen Au­gen ge­steu­ert. In man­chen In­dus­trie­be­rei­chen aber konnten sich die wach­sa­men Hel­fer bis­lang nicht durch­set­zen – in so­ge­nann­ten ex­trem rauen Um­ge­bun­gen, in de­nen her­kömm­liche Sen­so­ren bin­nen kur­zer Zeit zer­stört wer­den. Da­zu zählt das In­ne­re von Kraft­werks- oder Flug­zeug­tur­bi­nen oder von Bohr­lö­chern im Erd­bo­den, in de­nen ho­he Tem­pe­ra­tu­ren und Drü­cke herr­schen. Auch ag­gres­si­ve Gase und Flüs­sig­kei­ten oder Stäu­be set­zen Sen­so­ren zu. Im Pro­jekt eHarsh ha­ben sich des­halb acht Fraun­hofer-In­sti­tu­te zu­sam­men­ge­tan, um erst­mals be­son­ders ro­bus­te Sen­so­ren für ex­trem raue Um­ge­bun­gen (ex­treme harsh en­vi­ron­ments) zu ent­wi­ckeln. "In den ver­schie­de­nen In­sti­tu­ten ver­fü­gen wir über viele De­tail­kennt­nisse", sagt eHarsh-Ko­or­di­na­tor Holger Kappert vom Fraun­hofer-In­sti­tut für Mikro­elek­tro­ni­sche Schal­tun­gen und Sys­teme IMS. "Wir ken­nen uns mit hitze­be­stän­di­gen Ke­ra­mi­ken aus, kön­nen Ma­te­ri­al­ei­gen­schaf­ten prü­fen und ro­bus­te mik­ro­elek­tro­ni­sche Schal­tun­gen an­fer­ti­gen. Doch allein war kei­ner von uns in der La­ge, ei­nen sol­chen Sen­sor her­zu­stel­len. Erst durch das Zu­sam­men­spiel und die Kom­bi­na­tion vie­ler ein­zel­ner Tech­no­lo­gien ist uns das jetzt ge­lun­gen."

Signalverarbeitung direkt vor Ort

Das Team setzte den Schwer­punkt zu­nä­chst auf An­wen­dun­gen mit ho­hen Tem­pe­ra­tu­ren und Drü­cken – be­sag­te Tur­bi­nen und Bohr­lö­cher. Das Ziel war es, nicht nur ro­bus­te Druck- und Ther­mo­ele­men­te in die Tur­bi­nen und Bohr­lö­cher zu brin­gen, son­dern auch die Elek­tro­nik zum Aus­wer­ten der Mess­wer­te. "Der Vor­teil einer Elek­tro­nik vor Ort und der Sig­nal­ver­ar­bei­tung im Sen­sor liegt in ei­ner hö­he­ren Qua­li­tät der Sen­sor­sig­na­le", sagt Hol­ger Kap­pert. "Au­ßer­dem kön­nte man Sen­so­ren da­mit künf­tig bes­ser ver­net­zen und auf­wän­di­ge Ver­ka­be­lung ein­spa­ren." Das wä­re vor al­lem in Flug­zeug­trieb­wer­ken in­te­res­sant, weil sich da­durch das Ge­wicht re­du­zie­ren lie­ße. Sol­che Trieb­wer­ke sind kom­plex. Luft­strö­me, elek­tri­sche Span­nun­gen und Leis­tun­gen müs­sen je nach Flug­ma­nö­ver genau ge­re­gelt wer­den. Mit­hil­fe klei­ner ro­bus­ter Sen­so­ren di­rekt im An­trieb kön­nte die Mes­sung des Trieb­werks­zu­stands und die Steue­rung des Ver­bren­nungs­pro­zes­ses künf­tig noch prä­zi­ser wer­den – etwa um Treib­stoff ef­fi­zien­ter zu nut­zen

Das Sen­sor­ge­häu­se be­steht aus Me­tall, die Sen­sor­ele­men­te be­ste­hen aus Ke­ra­mik, die Tem­pe­ra­tu­ren von bis zu 500 Grad Cel­sius wider­steht. Das elek­tro­ni­sche In­nen­le­ben hält rund 300 Grad Cel­sius aus. Eine He­raus­for­de­rung be­stand darin, die ver­schie­de­nen Kom­po­nen­ten so mit­ein­an­der zu ver­bin­den, dass sie sich auch bei wie­der­hol­tem Er­hit­zen und Ab­küh­len nicht von­ein­an­der lö­sen, wenn sich die Ma­te­rial­ien un­te­rschied­lich stark aus­deh­nen und zu­sam­men­zie­hen. Zum Ein­satz kom­men un­ter an­de­rem Lei­ter­plat­ten aus hit­ze­be­stän­di­ger Ke­ra­mik und Lei­ter­bah­nen mit ei­ner Bei­mi­schung von Wolf­ram, das auch für die Wen­deln von Glüh­bir­nen ver­wen­det wird.

Sensor für die Geothermie

Doch die Sen­so­ren sind nicht nur hit­ze­be­stän­dig, son­dern er­tra­gen auch ho­he Drü­cke von bis zu 200 Bar – fast ein­hun­dert­mal mehr als im Au­to­rei­fen. Da­mit kön­nen der­ar­ti­ge Sen­so­ren künf­tig un­ter an­de­rem in Pum­pen für die Geo­ther­mie ein­ge­set­zt wer­den. Bei der Geo­ther­mie wer­den Ge­bäu­de mit hei­ßem Was­ser aus dem Erd­bo­den be­heizt. Die Pum­pen sit­zen tief un­ten im Bohr­loch und müs­sen so­wohl die Hit­ze als auch die Drü­cke aus­hal­ten kön­nen. Dank der neu­en Sen­so­ren ist jetzt ei­ne ein­fa­che, per­ma­nen­te Über­wa­chung mög­lich. Ma­schi­nen­her­stel­lern hel­fen die er­wei­ter­ten Mög­lich­kei­ten aber auch beim Tes­ten der Le­bens­dauer ih­rer Sen­so­ren. Bei sol­chen Tests wer­den Bau­tei­le hö­he­ren Drü­cken oder Tem­pe­ra­tu­ren aus­ge­setzt, da­mit sie schnel­ler al­tern. So läs­st sich in über­schau­ba­rer Zeit die Lebens­dauer ei­nes Pro­dukts be­stim­men. Hal­ten Sen­so­ren ex­tre­me­re Be­din­gun­gen aus, kön­nen die Tests bei hö­he­ren Wer­ten ge­fah­ren wer­den. Da­durch ver­kürzt sich die Test­dauer deut­lich. "Ins­ge­samt ist es uns dank der In­ter­dis­zi­pli­na­ri­tät in "eHarsh" ge­lun­gen, eine Tech­no­lo­gie­platt­form für ro­bus­te Sen­sor­sys­teme für vie­le ver­schie­de­ne An­wen­dun­gen zu ent­wi­ckeln", re­sü­miert Holger Kappert.

Am Projekt eHarsh sind die folgenden Fraun­hofer-In­sti­tute be­tei­ligt:

  • Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI
  • Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS
  • Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS
  • Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT
  • Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS
  • Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS
  • Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM
  • Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM

Weitere Informationen zum Projekt sind hier zu finden.