Mensch-Roboter-Kooperation effizient planen und wirtschaftlich einsetzen

Im Seminar „Entscheidungskompetenz Mensch-Roboter-Kooperation“ gaben Experten des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA einen fundierten Überblick über den Stand der Technik und Normen sowie praxiserprobte Planungsmeth

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Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK), flexible Aufgabenteilung zwischen Mensch und Roboter und eröffnet einen Mittelweg zwischen rein manueller und vollautomatisierter Fertigung. Im Seminar »Entscheidungskompetenz Mensch-Roboter-Kooperation« unter der Leitung von Martin Naumann, Leiter der Gruppe Montage-Automatisierung am Fraunhofer IPA, konnten die Teilnehmer anhand von Expertenvorträgen erfahren, was bei der Integration von MRK-Anwendungen in die Fertigung zu beachten ist und wie sich diese systematisch planen und realisieren lassen.

Vorteile der Mensch-Roboter-Kooperation

Zwar eignen sich in bestimmten Anwendungsfällen auch klassische Industrieroboter für MRK. Besonders geeignet sind jedoch Leichtbauroboter. Sie sind durch ihre kompakte Bauweise und bereits integrierte Sicherheits-SPS sowie Kraft-Momenten-Sensorik intrinsisch sicher und können in direkter Umgebung des Menschen eingesetzt werden. Das Design des Robotergehäuses verhindert ein aktives Einklemmen, zudem führt die Roboterkinematik alle erforderlichen Kabel im Arm durch.

Mit Leichtbaurobotern realisierte MRK-Anwendungen bieten Unternehmen mehrfachen Nutzen: Die Robotersysteme benötigen weniger Platz und sind mit geringerem Aufwand aufgebaut, weil weniger Sicherheitsabstände und ‑einrichtungen wie z.B. externe Sensorik vorhanden sein müssen. Bei Bedarf sind die Roboter ortsflexibel. Beides erlaubt eine wandlungsfähige, an aktuelle Produktionsbedarfe anpassbare Produktion. Auch Konfigurationsänderungen von Maschinen, Anlagen und Logistik sind einfacher durchführbar, sodass die Anlage langfristig flexibel nutzbar ist.

Zudem bedeutet eine teilautomatisierte Fertigung mit MRK-Anwendungen Entlastung für den Werker bei ergonomisch ungünstigen Aufgaben. Die Verteilung der Aufgaben erfolgt prozessspezifisch und nach Eignung: Während der Roboter besonders monotone, einfache und Präzision erfordernde Arbeitsinhalte übernimmt, führt der Werker weiterhin Tätigkeiten aus, für die sensorische und kognitive Fähigkeiten sowie Erfahrung nützlich sind. Zudem erleichtern MRK-Systeme auch die Programmierung von Robotern und machen sie effizienter und verlässlicher: Neue Verfahren wie z.B. das Programmieren durch Handführen sparen Ressourcen und sind vom Werker intuitiv durchführbar, gleiches gilt für die Verknüpfung mit Grafik und Sprache.

Sichere Anwendungen

Bei der Entwicklung oder Einführung einer MRK-Anwendung sind immer die zwei Hauptkriterien Sicherheit und Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen. Beide sind anwendungsspezifisch auszugestalten bzw. zu bewerten, zudem kann die Wirtschaftlichkeit mitunter von erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen beeinflusst werden. An erster Stelle steht die Sicherheit der Anwendung, denn nur eine normenkonforme Anwendung erhält die notwendige CE-Kennung. Um diese Zulassung von Beginn an sicherzustellen, bedarf es eines methodischen, bestenfalls von Experten angeleiteten Vorgehens vom Entwurf der Anwendung und der eingesetzten Maschine über die Definition der Maschinengrenzen, die Identifikation von Gefährdungen bis hin zur Risikoeinschätzung und Bewertung. Für MRK-Anwendungen ist dies besonders relevant, weil die räumliche und anwendungsbezogene Grenze der Roboterzelle verschwimmt. Vom Roboter, vom Prozess oder der Peripherie können evtl. Gefährdungen ausgehen. Auch muss zwischen beabsichtigten und unbeabsichtigten Kontakten unterschieden werden.

MRK-fähige Robotersysteme müssen der ISO-Norm 10218-1/2 folgen. Ergänzt wird diese seit Anfang des Jahres 2016 durch die ISO/TS 15066, die spezielle Vorgaben für kollaborierende Systeme gibt. Prinzipiell unterscheidet die ISO 10218-1/2 vier verschiedene Kollaborationsformen: Stopp des Roboters mit automatischem Wiederanlauf, Handführen, Geschwindigkeits- und Positionsüberwachung, Leistungs- und Kraftbegrenzung. Sie alle weisen spezifische Merkmale z.B. hinsichtlich der Nähe des Werkers zum Roboter oder der Geschwindigkeit des Roboters auf, die die nötigen Schutzprinzipien bedingen. Zudem ist die Grenze zwischen Koexistenz und tatsächlicher Interaktion oft fließend.

Wirtschaftlichkeit von MRK-Anwendungen

Das Fraunhofer IPA bietet nicht nur hinsichtlich der sicheren Anlagengestaltung umfassende technische Begleitung. Auf dem Seminar stellten die Experten ebenso Methoden vor, mit denen Unternehmen die Wirtschaftlichkeit von MRK-Lösungen bereits in der Planungsphase berücksichtigen können und so eine fundierte Entscheidungsgrundlage im Hinblick auf den wirtschaftlichen Mehrwert von MRK haben.

Eine MRK-Anwendung ist mit einer vollständig manuellen oder vollständig automatisierten Aufgabenausführung abzugleichen. Manuell bedeutet: geringe Fix- und Investitionskosten, aber hohe variable Kosten und Stückkosten. Automatisiert bedeutet: hohe Fix- und Investitionskosten, z.B. für die Hardware einer Anlage, und geringe variable Kosten sowie Betriebskosten. Mit einer MRK-Lösung sollen einerseits durch die Synergie aus Werker und Roboter die variablen Kosten der manuellen Fertigung gesenkt werden. Andererseits reduzieren sich die Fixkosten einer automatisierten Fertigung, weil weniger Sicherheitseinrichtungen und externe Sensorik erforderlich sind. Die Einbindung des Menschen bedeutet, dass die Produktionsmittel flexibler einsetzbar sind. Eingebunden in eine MRK-Anwendung können Roboter ihre Universalität gewinnbringend ausspielen und die Anwendung rentiert sich langfristig.

MRK-Potenzial systematisch ermitteln

Um MRK-Lösungen strukturiert zu planen, haben die IPA-Experten die bereits vielfach auch international eingesetzte Automatisierungs-Potenzialanalyse entwickelt, mit der sie technisches und wirtschaftliches Automatisierungspotenzial bisher manuell ausgeführter Prozesse identifizieren. Aber auch Ergonomie, Prozessqualität sowie die Flexibilität der Anwendung werden berücksichtigt. Hierfür begehen die Experten die Produktion des Kunden und bewerten den Montageprozess mit seinen vier Haupteinflussfaktoren für die Automatisierung: Vereinzeln, Handhaben, Positionieren und Fügen. Je nachdem, ob z.B. die Wirtschaftlichkeit oder die Flexibilität eines Prozesses höher priorisiert wird, leiten die Experten Automatisierungs- oder MRK-Potenzial der einzelnen Prozesse ab.

Ergebnis der Potenzialanalyse sind die Erarbeitung eines Grobkonzepts für die MKR-Anwendung sowie deren Risikoanalyse, die Ableitung von Kernkomponenten wie Roboter, Werkzeuge oder Sensorik und eine erste Kostenabschätzung. Diese Ergebnisse werden wiederum mit der Ist-Situation abgeglichen, was eine fundierte wirtschaftliche Bewertung bietet. Auf Basis der MRK-Potenzialanalyse können Unternehmen weitere Schritte wie die Konzeption, Machbarkeitsuntersuchungen oder die Realisierung einer Automatisierungslösung angehen. Auch für diese Etappen stehen die Experten des Fraunhofer IPA als unabhängiger Technologiepartner zur Verfügung.