Bis zum letzten Draht – Aufbau einer robusten Netzwerkinfrastruktur

Das Internet of Things (IoT) weitet sich über die Grenzen der Produktionsbereiche hinaus aus, um Betriebstechnik und Informationstechnik zu verbinden. Eine korrekte und auf zukünftige Anforderungen ausgelegte Planung wird also noch wichtiger.

  • Vereinfachtes Beispiel einer Punkt-zu-Punkt-Verkabelung
    Vereinfachtes Beispiel einer Punkt-zu-Punkt-Verkabelung

Beitrag von Andy Banathy, Solution Architect, Panduit Europe Ltd.

Im Fertigungsbereich wird ein normengerechtes Ethernet-Netzwerk eingesetzt, wenn die Hersteller proprietäre Inselnetze nicht mehr weiter betreiben wollen oder können.
Die richtige Auslegung und Kabelverlegung ist dabei sehr wichtig für die Gesamtzuverlässigkeit des Netzwerks und die Vermeidung von teuren Ausfallzeiten. Oft wird aber die Hardware-Infrastruktur (d.h. Kabel, Steckverbinder, Drähte und Schaltschränke) vernachlässigt. Um die Vision eines zuverlässigen und robusten Netzwerks Wirklichkeit werden zu lassen, definieren die Unternehmen konstruktive Auslegungen und stellen globale Standards auf. Aber bevor sie fortfahren können, muss eine Bewertung der Umgebung und der Bedingungen durchgeführt werden.

Bewertung

Hersteller sollten anhand der hier aufgeführten Schritte ihre Anforderungen an Bandbreite und Kabeltechnik definieren.

  1. Anzahl der Ethernet-Geräte
    Die Erhebung sollte mit der Summierung aller Ethernet-Geräte beginnen, die nicht nur heute eine Anbindung brauchen, sondern in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren. Dazu können neben Maschinen, Sensoren und Kameras auch Steuerungen und Schalter gehören.
  2. Risiken in der Umgebung 
    Als Nächstes sind die umgebungsbedingten Risiken für die Infrastruktur zu berücksichtigen. So können sich zum Beispiel ätzende und feuchte Umgebungen auf das Kabelmantelmaterial auswirken und Bereiche mit starken elektrischen Störungen können den Einsatz von Kupferkabeln einschränken. Die Bewertung ist ebenfalls der Zeitpunkt, um Hindernisse bei der Kabelverlegung zu erkennen und aufzuzeigen und die Kabelführungslängen zu optimieren.
  3. Bandbreitenverbraucher 
    Nach der Beurteilung der Risiken durch die Umgebung müssen Art und Umfang des Informationsflusses betrachtet werden, um eine ausreichend hohe Bandbreite bestimmen zu können. Es sollten alle datenpaketerzeugenden Geräte betrachtet und die Menge der zu sendenden Daten, Steuerbefehle, Videos und VoIP-Streams berechnet werden. 
  4. Ausfallzeiten 
    Um das Netzwerk anforderungsgerecht aufbauen zu können, ist es wichtig, die Kosten von Ausfallzeiten zu bestimmen, damit die nötigen Investitionen in das Netzwerk beziffert werden können. Hohe Ausfallkosten erfordern eine Auslegung mit größerer Robustheit, besserem Kabelschutz und entsprechenden Leiterzügen.
  5. Sicherheit 
    Das industrielle Netzwerk ist keine Insel (mehr). Als Teil der Bewertung sollten Hersteller festlegen, wie die Verbindung mit dem Unternehmensnetzwerk aussehen soll, das aufgrund der Anzahl der Sicherheitsangriffe auf das IT-Netzwerk bereits erhöhten Sicherheitsanforderungen unterliegt.

Die Zusammenführung von Unternehmens-IT und industriellen Netzwerken bedeutet, dass ein Hacker in der Fertigung eines Unternehmens verheerende Schäden anrichten könnte. Daher ist es wichtig, bei der Konvergenz von OT- und IT-Netzen anerkannte und bewährte Verfahren zu befolgen und eine Art ‚kugelsicheres‘ Netzwerkschema aufzubauen. Die Verteidigung durch gestaffelte Sicherheitsebenen in der Tiefe sollte vom Protokoll bis zum physischen Zugriff auf die Anschlüsse und Ports alles abdecken. 

Das industrielle Netzwerk der Zukunft

Bisher wurden industrielle Netzwerke in einer Punkt-zu-Punkt-Konfiguration aufgebaut, mit Einzelleitern, die an Gerätestecker angeschlossen waren. Die strukturierte Verkabelung setzt sich jetzt als robustere und nachhaltigere Infrastruktur durch, weil sie das Wachstum und die Fehlersuche und -behebung erleichtert. Allerdings Punkt-zu-Punkt ist ideal für Kabelführungen innerhalb eines Gehäuses oder für kleinere Ringkonfigurationen. Allerdings könnte es schwer werden, einen Stecker anzuschließen. Ein weiterer Aspekt ist die Abwägung Litze oder Massivleiter. Litzenleiter führen aufgrund der höheren Dämpfung zu verkürzten Abständen, während ein Massivkabel bei biegender bzw. knickender Beanspruchung leichter brechen kann. Wichtiger ist hierbei aber, dass Punkt-zu-Punkt-Kabel in vorgefertigter Länge nicht ohne Weiteres verlängert oder neu konfiguriert werden können, im Gegensatz zum strukturierten Ansatz mit Patch-Feldern. Darüber hinaus berücksichtigen einige Netzwerkprüfgeräte nicht die Verbindungen zum Tester, weshalb der gesamte Kanal nicht geprüft wird.

Die strukturierte Verkabelung ist die bevorzugte Implementierung für längere und kritischere Kabelführungen, da sie Mittel und Möglichkeiten in Bezug auf Fehlerbehebung und Prüffähigkeit sowie Wachstum und Zuverlässigkeit bietet. Durch den Einsatz von Patchkabeln, Buchsen und horizontaler Verkabelung lässt sich ein optimierter Netzwerkkanal schaffen. Darüber hinaus ist mit dem horizontalen Kabel der zuverlässige Anschluss an eine Buchse einfacher und schneller herzustellen, als an einen Stecker. Durch die Installation einer Netzwerkverkabelung für die Bereitstellung zusätzlicher Netzwerkkanäle für zukünftiges Wachstum kann der Techniker beim Hinzufügen neuer Ausrüstung oder bei einem Fehler in der Netzwerkverkabelung den Anschluss an einen anderen Kanal herstellen.

Während natürlich auch die Robustheit des einzelnen Kanals im Vordergrund steht, liegt der eigentliche Wert der strukturierten Verkabelung in ihrem systematischen Ansatz bei Planung, Verlegung und Management der Verkabelung auf Grundlage der TIA-1005-A (Telecommunications Infrastructure Standard for Industrial Premises).

Ausarbeiten der Netzwerkanforderungen

An diesem Punkt ist die Abschätzung und Bewertung abgeschlossen und die Netzwerktopologie steht fest. Die Einteilung der Bereiche in Punkt-zu-Punkt- und strukturierte Verkabelung sowie die Wahl von Kabelart, -aufbau und -medium ist festgelegt. Jetzt ist es Zeit für die Aus- und Verlegung der Infrastruktur, bei der die Werkspläne herangezogen und die logische Netzwerkarchitektur mit der ‚physikalischen Schicht‘ in Übereinstimmung gebracht werden. Durch die Nutzung eines visuellen Diagramms des bereits vorhandenen Netzwerks vor der Verlegung können frühzeitig Entscheidungen in Bezug auf die  Trassenführung und die Auswirkungen der Umgebung auf die Verkabelungsinfrastruktur getroffen werden. Die ISO/IEC 24702 legt bei der Bewertung und Klassifizierung der Umgebungsbedingungen vier Faktoren zugrunde und baut auf das MICE-Konzept (Mechanical, Ingress, Climate und Electromagnetic) auf. MICE-bedingte Störungen können zum Beispiel durch die Wahl der entsprechenden Ummantelung und Schirmung zur Unterdrückung elektrischer Störungen vermieden werden.

Bei der Bewertung, Auslegung und Installation der physikalischen Infrastruktur sollten die folgenden Punkte berücksichtigt werden:

  • Normenkonforme Konfigurationen (von den TIA-Verkabelungsstandards bis zum Ether-Net/IP)
  • Verkabelungsverfahren (d. h. strukturiert oder Punkt-zu-Punkt)
  • Auswirkungen der Netzwerktopologie auf die Wahl der Übertragungsmedien
  • Verkabelungsanwendungen für LWL und Kupfer
  • Geeignete Ummantelung und Schirmung für raue Umgebungen

Auf die Infrastruktur kommt es an

Bei einer systematischen Herangehensweise unter Nutzung einer normenkonformen Methodik kann die Verkabelungsinfrastruktur eine skalierbare Lösung sein, die die zunehmenden Aspekte logischer und physikalischer Netze zusammenführen und sich an den stetigen Wandel einer dynamischen Industrie anpassen kann. Unterbrechungsfreier Datenverkehr ist abhängig von Übertragungsmedium, Kabelummantelung und Topologie. Darüber hinaus können die von Technikanbietern aufgezeigten Best Practices und zertifizierten Verfahren für eine effiziente und kostengünstige Installation genutzt werden.