Softwaretools für eine erfolgreiche Montage mit Robotern

Das Fraunhofer IPA hat mehrere Tools für eine systematische und vereinfachte Montageautomatisierung auch bei Herausforderungen wie einer variantenreichen Produktion entwickelt. Die Lösungen werden vom 4. bis 7. Oktober 2022 auf der Motek in Stuttgart

  • September 20, 2022
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  • „Parametrieren statt programmieren“ – diese vereinfachte Roboternutzung zum Beispiel für die automatisierte Montage von Reihenklemmen mit zahlreichen Varianten ermöglicht die Software pitasc. Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez
    „Parametrieren statt programmieren“ – diese vereinfachte Roboternutzung zum Beispiel für die automatisierte Montage von Reihenklemmen mit zahlreichen Varianten ermöglicht die Software pitasc. Quelle: Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez

Die Mon­ta­ge ist noch im­mer der Pro­duk­ti­ons­schritt, in dem ver­gleichs­wei­se we­nig Ro­bo­ter im Ein­satz sind. Nur deut­lich un­ter 20 Pro­zent al­ler 2020 ver­kauf­ten In­dus­trie­ro­bo­ter wer­den für Fü­ge­pro­zes­se ge­nutzt. Zwar möch­ten vie­le Un­ter­neh­men hier ger­ne mehr auf Ro­bo­tik set­zen. Sie ste­hen aber oft vor Hür­den, die die Au­to­ma­ti­sie­rung er­schwe­ren. Ge­nau hier set­zen die Ent­wick­lun­gen des Fraun­ho­fer IPA an, in­dem sie die­se Hür­den sen­ken oder gleich ganz be­sei­ti­gen.

Au­to­ma­ti­sier­bar­keit früh­zei­tig prü­fen 

Oft lässt sich schon im Pla­nungs­pro­zess ei­nes Bau­teils die ent­schei­den­de Wei­che da­für stel­len, dass das Bau­teil spä­ter au­to­ma­ti­siert ge­fer­tigt wer­den kann. Ob es hier­für pas­send ge­plant ist, kön­nen Un­ter­neh­men mit der Soft­ware Neu­ro­CAD prü­fen las­sen. „Un­se­re Soft­ware ana­ly­siert mit­hil­fe ma­schi­nel­ler Lern­ver­fah­ren Bau­teil­ei­gen­schaf­ten und er­mit­telt dar­aus ei­ne Ein­schät­zung, in­wie­weit sich ein Bau­teil für ei­ne Mon­ta­ge­au­to­ma­ti­sie­rung eig­net“, er­klärt Ent­wick­ler und Pro­jekt­lei­ter Raoul Schön­hof vom Fraun­ho­fer IPA. Un­ter­neh­men kön­nen auf neu­ro­cad-dev.web.app/da­sh­board ih­re im CAD-Sys­tem ge­ne­rier­ten STEP-Da­tei­en kos­ten­los hoch­la­den und er­fah­ren in­ner­halb we­ni­ger Se­kun­den, wie ein­fach oder schwie­rig ein Bau­teil zu ver­ein­zeln ist. Au­ßer­dem be­wer­tet das Tool die Greif­flä­chen und die Aus­richt­bar­keit des Bau­teils. Zu­sätz­lich nennt das neu­ro­na­le Netz ei­ne Wahr­schein­lich­keit da­für, dass es mit sei­nem Er­geb­nis rich­tig liegt. Neu­ro­CAD hilft, un­vor­teil­haf­te Bau­teil­kon­struk­tio­nen noch im Pla­nungs­pro­zess zu ver­mei­den und Mon­ta­ge­pro­zes­se zu be­schleu­ni­gen.

Mon­ta­ge­au­to­ma­ti­sie­rung sys­te­ma­tisch und au­to­ma­ti­siert pla­nen 

Ne­ben dem Bau­teil selbst kön­nen auch viel­fäl­ti­ge an­de­re Fak­to­ren im Fü­ge­pro­zess ei­ne au­to­ma­ti­sier­te Aus­füh­rung er­schwe­ren, sei es aus tech­ni­schen oder wirt­schaft­li­chen Grün­den. Um die­se Grün­de zu er­mit­teln und Ab­hil­fe zu schaf­fen, führt das Fraun­ho­fer IPA be­reits seit Jah­ren welt­weit die Au­to­ma­ti­sie­rungs-Po­ten­zi­al­ana­ly­se (APA) durch. „Da­bei ge­hen wir durch die Pro­duk­ti­on und ana­ly­sie­ren die­se. Ei­ne von uns ent­wi­ckel­te App un­ter­stützt da­bei, die ein­zel­nen Pro­zess­schrit­te zu er­fas­sen, wer­tet die Ein­ga­ben aus und in­for­miert über Au­to­ma­ti­sie­rungs­po­ten­zia­le“, er­klärt Jos­hua Beck, der als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Fraun­ho­fer IPA ar­bei­tet und die App mit­ent­wi­ckelt hat. In­dem die App tech­ni­sche und wirt­schaft­li­che As­pek­te be­rück­sich­tigt, bie­tet sie ei­ne um­fang­rei­che Da­ten­ba­sis für In­ves­ti­ti­ons­ent­schei­dun­gen. Ne­ben der Mon­ta­ge kann sie auch Pro­zes­se wie die De­mon­ta­ge oder das Ma­schi­nen­be­stü­cken ana­ly­sie­ren. 

Auch beim Pla­nen und Durch­füh­ren ei­ner Mon­ta­ge kann Au­to­ma­ti­sie­rung ei­ne An­wen­dung op­ti­mie­ren. Wie das mög­lich wird, zeigt die neue, drei Kom­po­nen­ten um­fas­sen­de Soft­ware As­sem­blio As­sem­bly Sui­te. Die Soft­ware nutzt ei­ne Künst­li­che In­tel­li­genz (KI), die so­ge­nann­te STEP-Da­tei­en ana­ly­siert und aus­wer­tet. Je­des CAD-Sys­tem kann die­se in­for­ma­ti­ons­rei­chen Da­tei­en ge­ne­rie­ren. Sie lie­fern der Kom­po­nen­te „3D-Ana­ly­se-KI“ al­le not­wen­di­gen In­for­ma­tio­nen, um struk­tu­rier­te Mon­tag­ein­for­ma­tio­nen prä­zi­se ab­zu­lei­ten. Die zwei­te Kom­po­nen­te von As­sem­blio ist der „As­sem­bly Com­po­ser“, der die ex­tra­hier­ten Mon­tag­ein­for­ma­tio­nen aus der STEP-Da­tei aus­liest und in ein gra­fi­sches Tool für die Mon­ta­ge­pla­nung ein­speist. Das Tool zeigt An­wen­de­rin­nen und An­wen­dern mon­ta­gere­le­van­te In­for­ma­tio­nen ver­ein­facht gra­fisch an, so­dass sie die Mon­ta­ge spie­lend ein­fach und feh­ler­frei pla­nen kön­nen. Die KI-Mon­ta­ge­as­sis­tenz „KIM“ kom­plet­tiert das Trio an Kom­po­nen­ten. Sie er­stellt au­to­ma­tisch und kos­ten­güns­tig Mon­ta­ge­as­sis­ten­zen zur in­ter­ak­ti­ven Un­ter­stüt­zung des Per­so­nals. Die As­sis­tenz ist va­ria­bel und kann 2D- oder 3D-ba­siert sein oder auf Aug­men­ted Rea­li­ty ba­sie­ren. Ers­te Nut­zer­stu­di­en zei­gen ei­ne Zeit­er­spar­nis von bis zu 92 Pro­zent, wenn As­sem­blio zum Ein­satz kommt. Die IPA-Aus­grün­dung „As­sem­blio“ führt die Tech­no­lo­gie ak­tu­ell zur Markt­rei­fe. 

Be­herr­schung der Va­ri­an­ten­viel­falt

Ei­ne häu­fi­ge Hür­de für die Mon­ta­ge­au­to­ma­ti­sie­rung ist die zu­neh­men­de Va­ri­an­ten­viel­falt, die bis­her mit ho­hen Pro­gram­mier­auf­wän­den ein­her­geht. Die­se Auf­wän­de ma­chen den Ein­satz von Ro­bo­tik schnell un­wirt­schaft­lich. Ge­nau hier setzt die Soft­ware pi­ta­sc an: Mit­hil­fe di­rekt ein­setz­ba­rer Bau­stei­ne oder „Skills“ las­sen sich Ro­bo­ter­pro­gram­me ein­fach zu­sam­men­stel­len. „Bis­her war es er­for­der­lich, ein Ro­bo­ter­sys­tem für je­de An­wen­dung weit­ge­hend neu zu pro­gram­mie­ren. Mit un­se­rer Soft­ware sind ein­mal mo­del­lier­te Auf­ga­ben schnell auf neue Pro­dukt­va­ri­an­ten, Pro­duk­te und so­gar auf Ro­bo­ter an­de­rer Her­stel­ler über­trag­bar, in­dem le­dig­lich die Pa­ra­me­ter an­ge­passt wer­den“, sagt Frank Nä­ge­le, Lei­ter der Grup­pe Ro­bo­ter­pro­gram­mie­rung und -re­ge­lung am Fraun­ho­fer IPA. Auf der Mes­se kön­nen die Gäs­te ei­nen De­mons­tra­tor er­le­ben, der fünf Va­ri­an­ten von Rei­hen­klem­men auf ei­ne Hut­schie­ne steckt. Wird ei­ne Va­ri­an­te ge­wech­selt, müs­sen le­dig­lich fünf Pa­ra­me­ter an­ge­passt wer­den – ei­ne Sa­che von un­ter fünf Mi­nu­ten. Ge­mein­sam mit der Fir­ma Wa­go hat das Fraun­ho­fer IPA die­sen An­wen­dungs­fall be­reits er­folg­reich in ei­nem Test­sze­na­rio um­ge­setzt. 

Ei­ne zwei­te Auf­ga­be des Ro­bo­ters zeigt, was sich for­schungs­sei­tig tut, um die Mon­ta­ge­au­to­ma­ti­sie­rung vor­an­zu­brin­gen. So setzt das Ver­bund­for­schungs­pro­jekt rob-aKa­de­mI auf selbst­ler­nen­de Ro­bo­ter. Das Pro­jekt hat das Ziel, die fle­xi­ble Ro­bo­ter­pro­gram­mie­rung für Mon­ta­ge­auf­ga­ben mit we­nig Auf­wand zu er­mög­li­chen. Es adres­siert vor­nehm­lich Un­ter­neh­men, die ei­nen ein­fa­chen, aber zu­kunfts­fä­hi­gen Ein­stieg in die ro­bo­ter­ba­sier­te Mon­ta­ge­au­to­ma­ti­sie­rung su­chen. Hier­für ist ei­ne Si­mu­la­ti­ons­um­ge­bung ent­stan­den, in wel­cher der Ro­bo­ter auf Ba­sis von CAD-Da­ten und mit­hil­fe der KI-Me­tho­de des „Rein­force­ment Learning“, al­so dem Prin­zip aus Ver­such und Irr­tum, das Mon­tie­ren lernt. Er lernt da­bei auch, mit To­le­ran­zen des Werk­stücks oder Un­ge­nau­ig­kei­ten im Pro­zess um­zu­ge­hen. So soll ei­ne ro­bo­ter­ba­sier­te ro­bus­te Mon­ta­ge bis hin zu Los­grö­ße 1 mög­lich wer­den.

Mo­tek 2022, Hal­le 7, Stand 711