Eine digitale 3D-Druck-Plattform für die Zukunft der Ersatzteilproduktion

Der Einsatz von 3D-Drucktechnologie zur schnellen Verfügbarkeit von Ersatzteilen – auf Abruf am richtigen Ort und in genau der richtigen Menge, wird jetzt dank des deutschen Unternehmens Replique Realität. Wir haben mit Dr. Max Siebert, CEO und Mitbegründer, gesprochen, der einen Einblick in die Bedeutung des Modells von Replique für OEMs und ihre Kunden gegeben hat.

  • von Replique
  • Dezember 6, 2022
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  • Eine digitale 3D-Druck-Plattform für die Zukunft der Ersatzteilproduktion
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    Eine digitale 3D-Druck-Plattform für die Zukunft der Ersatzteilproduktion
  • Dr. Max Siebert
    Dr. Max Siebert

IEN D-A-CH: Herr Dr. Sie­bert, kön­nen Sie den Le­sern ei­nen kur­zen Über­blick dar­über ge­ben, wer Re­pli­que ist und was Ihr Un­ter­neh­men tut? 
Dr. Sie­bert:
Si­cher! Re­pli­que ist Teil des in­ter­nen In­ku­bator­pro­gramms der BASF, der Che­mo­va­tor GmbH, und hat die ers­te voll­stän­dig ver­schlüs­sel­te di­gi­ta­le La­ger­platt­form für 3D-Druck und Ad­di­ti­ve Ma­nu­fac­tu­ring (AM) ent­wi­ckelt. Die­se bie­tet Erst­aus­rüs­tern (OEM) ei­ne si­che­re und nach­hal­ti­ge Mög­lich­keit, ih­ren Kun­den je­der­zeit und über­all Er­satz­tei­le auf Ab­ruf be­reit­zu­stel­len. Wir er­rei­chen dies, in­dem wir un­ser di­gi­ta­les Wa­ren­la­ger mit ei­nem glo­ba­len, de­zen­tra­len 3D-Druck-Netz­werk von AM-Ex­per­ten kom­bi­nie­ren. Durch die­se Kom­bi­na­ti­on bie­ten wir OEMs ei­ne End-to-End-Lö­sung vom De­sign über die Her­stel­lung bis zum Ver­sand der Tei­le. 

IEN D-A-CH: Wel­che spe­zi­fi­schen Her­aus­for­de­run­gen lö­sen Sie für OEMs? 
Dr. Sie­bert:
Zu­nächst müs­sen OEMs kri­ti­sche Er­satz­tei­le mit un­si­che­rer Nach­fra­ge be­reit­stel­len oder Er­satz­tei­le für al­tern­de An­la­gen un­ter­stüt­zen. Wenn der Be­darf da ist, stel­len sie dann im­mer wie­der fest, dass der Lie­fe­rant oder das Werk­zeug nicht mehr ver­füg­bar ist. OEMs, die mit uns zu­sam­men­ar­bei­ten, müs­sen le­dig­lich das De­sign in un­se­rem di­gi­ta­len Be­stand spei­chern. So­bald der Be­darfs­fall ein­tritt, dru­cken wir das Er­satz­teil lo­kal und auf Ab­ruf. 

Ob zu Be­ginn der Pro­dukt­pha­se oder wäh­rend der ge­sam­ten Le­bens­dau­er, die Pro­duk­ti­on von klei­nen und mitt­le­ren Se­ri­en ist mit ho­hen Kos­ten und Ri­si­ken ver­bun­den. Mit AM er­mög­li­chen wir es OEMs, Tei­le ab ei­ner Los­grö­ße von nur ei­nem Stück kos­ten­ef­fi­zi­ent zu pro­du­zie­ren, mit na­he­zu null Fix­kos­ten, da kei­ne Werk­zeu­ge oder Min­dest­be­stell­men­gen er­for­der­lich sind. Dar­über hin­aus kön­nen Erst­aus­rüs­ter durch un­ser An­ge­bot die Kos­ten für La­ger­hal­tung und Trans­port sen­ken, die Um­welt­be­las­tung be­gren­zen und die Aus­fall­si­cher­heit ver­bes­sern. 

IEN D-A-CH: Gut, dass Sie die­sen letz­ten Punkt er­wäh­nen. Jetzt, da der Fo­kus auf Lie­fer­ket­ten und wie sie be­ein­flusst wer­den zu­nimmt: Kön­nen Sie uns mehr dar­über sa­gen, wie Sie die Kos­ten in der Lie­fer­ket­te sen­ken und die Wi­der­stands­fä­hig­keit ver­bes­sern? 
Dr. Sie­bert:
Die Tat­sa­che, dass Er­satz­tei­le di­gi­tal und nicht in ei­nem phy­si­schen La­ger un­ter­ge­bracht sind, eli­mi­niert so­wohl La­ger- als auch Trans­port­kos­ten. Die phy­si­sche La­ge­rung von Tei­len kann zu­dem Ent­sor­gungs­kos­ten ver­ur­sa­chen, wenn Tei­le ver­al­tet sind, was wie­der­um ein Um­welt­pro­blem dar­stellt. Bei un­se­rem Mo­dell wird ein be­stell­tes Teil au­to­ma­tisch an den am bes­ten ge­eig­ne­ten Pro­duk­ti­ons­part­ner in un­se­rem AM-Netz­werk wei­ter­ge­lei­tet. Die Tei­le kön­nen über­all und zu je­der Zeit pro­du­ziert wer­den, auch an ab­ge­le­ge­nen Stand­or­ten, was den CO2-Aus­stoß in der Lo­gis­tik re­du­ziert und die Fle­xi­bi­li­tät der Lie­fer­ket­te ver­bes­sert. 

Letz­ten En­des kön­nen Lie­fer­ket­ten aus ei­ner Viel­zahl von Grün­den un­ter­bro­chen wer­den, sei es durch glo­ba­le Pan­de­mi­en, grenz­über­schrei­ten­de Han­dels­pro­ble­me oder durch Schif­fe, die im Su­ez­ka­nal fest­sit­zen. In je­dem Fall wer­den Wa­ren und Tei­le dar­an ge­hin­dert, recht­zei­tig an ih­ren Be­stim­mungs­ort zu ge­lan­gen, was zu schlaf­lo­sen Näch­ten beim OEM füh­ren kann. Un­se­re Lö­sung über­win­det sol­che Pro­ble­me, in­dem sie die Mög­lich­keit bie­tet, das zu dru­cken, was der Kun­de braucht, wann im­mer es ge­braucht wird, wo im­mer es ge­braucht wird und in ge­nau der be­nö­tig­ten Men­ge. 

IEN D-A-CH: Könn­ten OEMs sich nicht ein­fach selbst mit der Tech­no­lo­gie aus­stat­ten und Ihr Ge­schäfts­mo­dell um­set­zen? 
Dr. Sie­bert: In der Rea­li­tät ist das nicht so ein­fach. Der 3D-Druck von Er­satz­tei­len birgt oft Tü­cken, selbst für die­je­ni­gen, die über Fach­wis­sen in de­ren Fer­ti­gung ver­fü­gen. Des­halb wen­den sich vie­le Un­ter­neh­men – dar­un­ter glo­ba­le Au­to­mo­bil­her­stel­ler und Flug­zeug­bau­er – an Ex­per­ten und Ser­vice­bü­ros, die sie in die­sem Be­reich be­ra­ten und un­ter­stüt­zen. 
Wir ar­bei­ten eng mit un­se­ren Kun­den zu­sam­men, um die Er­satz­teil­be­stän­de sorg­fäl­tig zu ana­ly­sie­ren, ein­schließ­lich tech­ni­scher und wirt­schaft­li­cher Fak­to­ren wie Ma­te­ri­al, Hö­he, Be­darfs­häu­fig­keit und Lie­fe­ran­ten­ab­hän­gig­keit. Es kann sein, dass nicht je­des Teil für den 3D-Druck ge­eig­net ist. Wir kön­nen 2D-Zeich­nun­gen in 3D um­wan­deln oder an­hand von Tei­len ent­wi­ckeln, wenn kei­ne Zeich­nun­gen mehr vor­han­den sind. Dar­über hin­aus un­ter­stüt­zen wir die OEMs bei der Aus­wahl der rich­ti­gen Tech­no­lo­gie und des rich­ti­gen Ma­te­ri­als für ih­re Er­satz­tei­le, je nach An­for­de­rung (z. B. Stei­fig­keit, Här­te, UV-Be­stän­dig­keit).

IEN D-A-CH: Für wel­che Bran­chen ist Ihr OEM-An­ge­bot ge­eig­net und kön­nen Sie über ein Kun­den­bei­spiel be­schrei­ben? 
Dr. Sie­bert:
Zur­zeit ar­bei­ten wir mit Kun­den aus ver­schie­de­nen Sek­to­ren zu­sam­men, dar­un­ter Kon­sum­gü­ter, Au­to­mo­bil/Trans­port, Land­wirt­schaft und Bau­we­sen so­wie Schwer­ma­schi­nen. Der deut­sche Haus­halts­ge­rä­te­her­stel­ler Mie­le ist ein gu­tes Bei­spiel für ei­nen Kun­den aus der Kon­sum­gü­ter­bran­che. Das Un­ter­neh­men nutzt un­se­re Platt­form, um sei­nen Kun­den schnell und kos­ten­ef­fi­zi­ent neu­es Zu­be­hör zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die voll­stän­di­ge In­te­gra­ti­on un­se­rer Platt­form in den On­line-Shop er­mög­lich­te die Um­stel­lung auf de­zen­tra­le Fer­ti­gung. Ein an­de­rer Kun­de, die H. Gautzsch Fir­men­grup­pe, nutzt un­se­re Platt­form im Rah­men ih­rer Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie, um Kun­den mit Er­satz­tei­len zu ver­sor­gen und so den Le­bens­zy­klus von Pro­duk­ten zu ver­län­gern. Hier spielt un­ser di­gi­ta­les In­ven­tar ei­ne ent­schei­den­de Rol­le. An­dern­orts eig­net sich der 3D-Druck für Bran­chen mit lang­le­bi­gen Ma­schi­nen, in de­nen die her­kömm­li­che Mas­sen­pro­duk­ti­on auf­grund der ge­rin­gen be­nö­tig­ten Stück­zah­len schwie­rig ist. Dies gilt für Schwer­ma­schi­nen, aber auch für Sek­to­ren wie Trans­port, Land­wirt­schaft, Bau­we­sen, Berg­bau so­wie Öl und Gas. Die Un­ter­neh­men in die­sen Sek­to­ren wol­len die Ver­füg­bar­keit von Er­satz­tei­len ver­bes­sern und gleich­zei­tig die Kos­ten op­ti­mie­ren. Die Kos­ten für Er­satz­tei­le kön­nen bei­spiels­wei­se nach der Se­ri­en­pro­duk­ti­on um das bis zu 20-fa­che stei­gen. 

IEN D-A-CH: Wel­chen Be­den­ken be­geg­nen Sie im Markt, bei­spiels­wei­se in Be­zug auf die Si­cher­heit ih­rer geis­ti­gen Da­ten? Wie ge­währ­leis­tet Re­pli­que ei­nen dieb­stahl­si­che­ren Pro­zess? 
Dr. Sie­bert: Si­cher­heit und Qua­li­täts­si­che­rung sind zwei The­men, die von An­fang an ganz oben auf un­se­rer Lis­te stan­den. In bei­den Be­rei­chen muss das geis­ti­ge Ei­gen­tum in den rich­ti­gen Hän­den blei­ben, wes­halb al­le Da­ten­sät­ze auf un­se­rer Platt­form stark ver­schlüs­selt sind. Durch un­se­re Ver­schlüs­se­lung fi­xie­ren wir nicht nur die Be­stell­men­ge, son­dern auch die zu­vor fest­ge­leg­ten op­ti­ma­len Ma­te­ria­li­en, Tech­no­lo­gi­en und Druck­pa­ra­me­ter für den Druck. Da­durch kön­nen wir wie­der­hol­ba­re Druck­qua­li­tät über die Jah­re hin­weg si­cher­stel­len. Dar­über hin­aus schlie­ßen wir mit un­se­ren Fer­ti­gungs­part­nern Ge­heim­hal­tungs­ver­ein­ba­run­gen ab, um si­cher­zu­stel­len, dass die Ent­wür­fe der OEMs si­cher und ver­trau­lich sind. Was die Qua­li­täts­si­che­rung an­geht, so wäh­len wir un­se­re Pro­duk­ti­ons­part­ner sorg­fäl­tig aus. Da­bei ana­ly­sie­ren und prü­fen wir de­ren Fä­hig­kei­ten, wie­der­hol­ba­re, nutz­ba­re Tei­le her­stel­len zu kön­nen. 

IEN D-A-CH: Da der 3D-Druck so grund­le­gend für Ihr An­ge­bot ist, was glau­ben Sie, wo­hin sich die Tech­no­lo­gie ent­wi­ckeln wird? Hat sie die in sie ge­setz­ten Er­war­tun­gen er­füllt, oder gibt es Be­rei­che, in de­nen sie noch nicht aus­ge­reift ist? Wenn ja, wel­che sind das? 
Dr. Sie­bert
: Re­pli­que lie­fert 3D-Druck-Er­fah­rung, ei­ne di­gi­ta­le Spei­cher­platt­form für die Da­ten und ein Netz­werk an Druck­spe­zia­lis­ten. Der 3D-Druck bie­tet vie­le in­ter­es­san­te Mög­lich­kei­ten und ent­wi­ckelt sich stän­dig wei­ter. Die Kos­ten für den 3D-Druck sin­ken aus meh­re­ren Grün­den. Die Ma­schi­nen wer­den schnel­ler und mo­der­ne Ma­schi­nen kön­nen mehr Tei­le gleich­zei­tig her­stel­len, bei­spiels­wei­se durch den Ein­satz von zwei Ex­tru­si­ons­köp­fen an­stel­le von ei­nem oder von zwölf La­sern an­stel­le von vier. Das ver­kürzt die Druck­zeit un­glaub­lich. Dar­über hin­aus ist jetzt ein stüt­zen­frei­er Druck mög­lich, der die Nach­be­ar­bei­tungs­zeit und den Ma­te­ri­al­ver­brauch re­du­ziert. Schließ­lich gibt es neue und ef­fi­zi­en­te­re Tech­no­lo­gi­en wie das Draht­bo­gen­ver­fah­ren, bei dem Me­tall­draht mit ei­nem Licht­bo­gen als Wär­me­quel­le ge­schmol­zen wird, oder den Mul­ti-Fil­ament-Sp­li­cer Pa­let­te 3, der meh­re­re Ma­te­ria­li­en gleich­zei­tig zum Ein­satz brin­gen kann. Die­se Tech­no­lo­gi­en er­mög­li­chen nicht nur bil­li­ge­re Roh­ma­te­ria­li­en, son­dern sind in der Re­gel auch schnel­ler. Um je­doch den 3D-Druck in neu­en An­wen­dun­gen ein­set­zen zu kön­nen und die glei­chen Mög­lich­kei­ten wie bei der tra­di­tio­nel­len Fer­ti­gung zu er­rei­chen, muss sich die Pa­let­te der Ma­te­ria­li­en er­wei­tern. Auch wenn AM nicht für je­des Teil in je­der Bran­che ge­eig­net ist, glau­ben wir an­ge­sichts der ak­tu­el­len Trends, dass es ein wich­ti­ger Weg­be­rei­ter für di­gi­ta­le Lie­fer­ket­ten und ei­ne Er­gän­zung zu tra­di­tio­nel­len Fer­ti­gungs­tech­no­lo­gi­en sein wird. 

IEN D-A-CH: Als Un­ter­neh­men be­fin­den Sie sich noch in der An­fangs­pha­se. Was sind Ih­re Wachs­tums- und Ent­wick­lungs­zie­le? 
Dr. Sie­bert:
Im Mo­ment ar­bei­ten wir mit OEMs zu­sam­men, die auf ih­rem Weg zum 3D-Druck schon recht weit fort­ge­schrit­ten sind. Aber wir wol­len auch Un­ter­neh­men, die neu in die­sem Be­reich sind, die Mög­lich­keit ge­ben, AM zu nut­zen und das Ge­schäft welt­weit aus­zu­bau­en. Als di­gi­ta­le Platt­form er­war­ten wir ein star­kes ex­po­nen­ti­el­les Wachs­tum, zum ei­nen, weil un­se­re der­zei­ti­gen Kun­den un­se­re Dienst­leis­tun­gen auf ein brei­te­res Tei­le­spek­trum aus­deh­nen kön­nen, und zum an­de­ren, weil neue Un­ter­neh­men be­gin­nen wer­den, un­se­re Lö­sung zu nut­zen. 

Wir wis­sen, dass der­zeit et­wa sechs Pro­zent al­ler Er­satz­tei­le 3D-druck­bar sind, und un­ser Ziel ist es, den größ­ten An­teil da­von zu lie­fern. Wenn Un­ter­neh­men auf un­ser di­gi­ta­les In­ven­tar und den On-De­mand-3D-Druck um­stei­gen, kann ei­ne er­heb­li­che Kos­ten­ver­bes­se­rung er­zielt wer­den, und die Nach­hal­tig­keit kann er­heb­lich ge­stei­gert wer­den. Um dies zu er­rei­chen und da­mit AM sein wah­res Po­ten­zi­al aus­schöp­fen kann, müs­sen die der­zei­ti­gen Lie­fer­ket­ten je­doch über­dacht wer­den. 

Ge­gen­wär­tig ist der 3D-Druck in ge­wis­ser Wei­se noch auf „Kon­struk­tio­nen von ges­tern“ be­schränkt. In Zu­kunft wer­den Tei­le für den 3D-Druck kon­stru­iert, wo­durch die Kos­ten ge­senkt und die To­po­lo­gie und das Ge­wicht ei­nes Teils op­ti­miert wer­den. Die 3D-Druck­in­dus­trie muss die­se Vor­tei­le dem Rest der Welt erst noch vor Au­gen füh­ren, der die Tech­no­lo­gie zum gro­ßen Teil noch nicht als prak­ti­ka­ble Lö­sung für sei­ne De­sign- und Fer­ti­gungs­an­for­de­run­gen in Be­tracht ge­zo­gen hat. 

IEN D-A-CH: Vie­len Dank für die um­fang­rei­chen In­for­ma­tio­nen.