Clever sparen mit Gleichstrom

Die Energiekosten steigen rasant. Für die Industrie stellt sich zunehmend die Frage, welche Einsparungen noch möglich sind. Eine Möglichkeit ist dabei die Steigerung der Energieeffizienz. Dazu kann die verstärkte Nutzung von Gleichstrom einen großen Beitrag leisten. Ein konsequent auf Gleichstrom ausgelegtes Energienetz käme auf einen Gesamtwirkungsgrad von 90 Prozent – gegenüber heute 56 Prozent.

  • LAPP Gleichspannungskabel für bewegte und stationäre Anwendungen
    LAPP Gleichspannungskabel für bewegte und stationäre Anwendungen
  • Auch Komponenten wie Stecker oder Schalter müssen an den DC-Betrieb angepasst werden, um höchste Sicherheit zu bieten.
    Auch Komponenten wie Stecker oder Schalter müssen an den DC-Betrieb angepasst werden, um höchste Sicherheit zu bieten.

Insbesondere, wenn die Quelle für die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien wie Photovoltaik oder Windkraft kommt ist die Nutzung von Gleichstrom besonders effizient. Diese produzieren Gleichstrom (DC), der über Wechselrichter erst mal in Wechselstrom (AC) umgewandelt werden muss. Wenn aber der Endverbraucher ebenfalls wieder ein digitales Gerät wie Laptop, I-Phone, eine LED-Leuchte, der Ladepunkt für Elektrofahrzeuge oder die intelligente Produktionseinheit in einer Fabrik ist, muss doppelt umgewandelt werden, denn diese Endverbraucher funktionieren nur mit Gleichstrom (DC). Dadurch entstehen große Wandlungsverluste. Erste Analysen gehen von 10 bis 15 Prozent aus. Würde man, ganz hypothetisch, unser gesamtes Stromnetz in Deutschland komplett auf Gleichstrom umstellen, könnten wir ungefähr 35 Prozent von unserem Gesamtenergiebedarf einsparen.

Der Krieg in der Ukraine hat den Fokus auf die verstärkte Nutzung von Erneuerbaren Energien noch mal einen deutlichen Schub gegeben. „Der langfristige Ausstieg aus den fossilen Energiequellen kann nur erfolgreich gestaltet werden, wenn wir konsequent immer mehr auf Gleichstrom umstellen und Wandlungsverluste vermeiden. Kurzum: Wir brauchen eine Wende ohne Wandel“, betont Guido Ege, Leiter Produktmanagement und Produktentwicklung bei der U.I. Lapp GmbH.

In der Nutzung von Gleichstrom steckt noch viel Potenzial. In der Industrie gibt es bisher nur Nischenanwendungen. Experten gehen davon aus, dass durch ein gleichstrombasiertes Smart Grid für die Industrie spürbare Energie- und Materialkosten eingespart werden könnten. Aber der große Wurf fehlt. Handlungsbedarf gibt es noch auf vielen Ebenen. LAPP hat sich sehr frühzeitig mit dem Thema Gleichstrom beschäftigt und ist bei Kabeln in der Entwicklung aktiv. Das Unternehmen verfügt bereits über ein Leitungsportfolio für verschiedenste Anwendungen. Darunter die ÖLFLEX® DC 100 mit neuer Farbcodierung der Adern nach der 2018 aktualisierten Norm DIN EN 60445 (VDE 0197):2018-02 für Gleichstromleitungen: rot, weiß und grün-gelb. Weitere Leitungen sind die ÖLFLEX® DC Servo 700 für stationäre und die ÖLFLEX® DC Chain 800 aus TPE für bewegte Anwendungen. Und auf der Hannover Messe 2022 stellte LAPP die ÖLFLEX® DC GRID 100 vor, die sich zur Errichtung energiesparender DC-Netze in industriellen Anlagen im Niederspannungsbereich, beispielsweise zur Verwendung an Steuerungsanlagen, Motoren und Frequenzumrichtern eignet.

DC-Kabel allein reichen aber noch lange nicht aus. Weitere Baustellen gibt es in der Normung, außerdem müssen noch DC-taugliche Komponenten zur Verfügung gestellt werden, etwa bei Steckern und  Schaltern. Hier muss noch weiter geforscht werden, denn bei Gleichstrom erlischt beispielsweise ein Störlichtbogen nicht von allein. Das kann lebensgefährlich werden. LAPP ist deshalb im Forschungsprojekt DC-Industrie2 geförderter Partner. Im Projekt DC-Industrie2 haben es sich die Forschenden des Fraunhofer IPA und des Fraunhofer IISB in Kooperation mit mehr als 30 Partnern zur Aufgabe gemacht, ein Konzept für ein intelligentes DC-Versorgungssystem zu entwickeln und zu erproben, ob dieses DC-System eine Produktionshalle günstig mit Gleichstrom versorgen kann. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWi fördert das Vorhaben, das bis Ende 2022 läuft. LAPP erforscht dabei die Langzeitstabilität von Isolationsmaterialien für Kabel und Leitungen. 

Schon viel früher hatten LAPP und die TU Ilmenau in Versuchen herausgefunden, dass die Isolationsmaterialien im Gleichspannungsfeld ein anderes Alterungsverhalten zeigen als in einem Wechselspannungsfeld. So haben Forscher der TU Ilmenau über einen Zeitraum von 2.590 Stunden Einzeladern mit verschiedenen Isolationsmaterialien in einem Wasserbad bei 80 °C mit 1 kV Gleichspannung belastet, um die Auswirkungen im Zeitraffer nachzuvollziehen. Die Ergebnisse: Leitungen mit PVC oder Polyolefin-Isolation fielen deutlich schneller aus als alle Prüflinge mit TPE-Isolierung. Um genauere Aussagen zu treffen, bedarf es noch weiterer Forschung. So ist es noch nicht klar, was chemisch und physikalisch im Kunststoff stattfindet. Der Abbau des Polymers oder das Aufquellen im Wasser sowie das Herauslösen von Additiven oder die Bildung von „Water Trees“ könnten mögliche Ursachen sein. 

Dennoch gibt es keinen Grund, auf Leitungen mit PVC-Isolation in Gleichspannungsanwendungen zu verzichten. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Leitungen fest, also ohne Bewegung, sowie ohne mechanische Belastung etwa durch zu enge Biegeradien verlegt werden. Außerdem sollte die Umgebung stets trocken sein. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, etwa im bewegten Einsatz in Energieketten, können Anwender auf andere Isolationsmaterialien wie etwa TPE ausweichen.

Guido Ege: „Wir sehen in Gleichstrom große ökonomische Chancen. Nicht nur für die Automotive-und Prozessindustrie. Viele Verbraucher sind schon heute Gleichstromverbraucher. Durch die Reduzierung von Umwandlungsverlusten steigern wir die Effizienz. Mit dem Wegfall der Umrichter brauchen wir weniger Komponenten und damit weniger Platz. Regenerative und dezentrale Energiequellen können leichter integriert werden. Auch die Rückspeisung von Bewegungsenergie erfolgt über DC. Der E-Motor wird zum Generator“, listet Guido Ege die Vorteile auf. Diese Energie könnte auch genutzt werden, um Verbraucher mit hohem Leistungsbedarf, zum Beispiel beim Schweißen, zu versorgen. Die Betriebe könnten damit Lastspitzen kappen und müssten nicht kurzzeitig hohe Energiemengen aus dem Netz beziehen. 

LAPP ist bei Gleichstrom schon heute ein gefragter Partner. Für Photovoltaik- und Windkraftanlagen verfügt das Unternehmen seit Jahren über ein umfangreiches DC-taugliches Portfolio. Mit DC werden beispielsweise Wandlungsverluste in Wellenkraftwerken vermieden. So ist im Hafen der griechischen Stadt Heraklion ein Wellenkraftwerk der Münchner Firma SINN Power im Einsatz. Dort wird für die dezentralen Minigrids die Gleichstromleitung ÖLFLEX® DC 100 für den 800-V-DC-Bus verwendet. Die Leitung soll eine Strecke von etwa 700 Metern zum Einspeisepunkt in das öffentliche Netz überbrücken.

Für den Sortimo Innovationspark Zusmarshausen, der im Sommer 2021 eröffnet wurde, hat LAPP ebenfalls den kompletten DC-BUS zum Anschluss der Ladestationen, einschließlich Hybrid-DC-Kabel zur Steuerung und Online-Überwachung entwickelt. Der Kabelaufbau ist sehr anspruchsvoll: Das speziell für den Ladepark designte Kabel besteht aus einem Aluminiumleiter mit 30 mm² Querschnitt. Die Aderisolierung ist strahlenvernetzt und besteht aus Polyethylen. Die Schirmung wird über spiralförmig über den Kern aufgetragene Kupferdrähte erreicht. Das Besondere: Der Aufbau wird ergänzt durch zwei Edelstahlrohre bestückt mit jeweils sechs Lichtwellenleitern. Diese dienen zur Temperaturmessung und schlagen Alarm, wenn die Temperatur an den Ladepunkten zu groß wird.

Guido Ege: „Die DC-Technologie wird die industrielle Produktion und die Energieversorgung von Städten und Stadtteilen entscheidend verändern. Sie stellt damit ein wichtiges Element der Energiewende dar.“